Fast alle Rollenspiele enden auf dieselbe Weise. Nach der langen und beschwerlichen Reise der Heldenparty kommt es endlich zur finalen Auseinandersetzung mit dem Oberschurken, der die Welt bedroht. Schon der Verzweiflung nah, folgt dann endlich unser letzter Schwerthieb und der Endboss ist besiegt. Die Welt ist gerettet! Ok, und jetzt? Was kommt danach? Wer baut die zerstörte Welt wieder auf? An diesem Punkt setzt das wundervolle Switch-Juwel Littlewood ein.
Ein Farming-RPG der anderen Art
Solo-Entwickler Sean Young hat eine kleine Pixel-Welt geschaffen, in der wir eine Heldin spielen, die auch nach ihrem größten Sieg noch lange nicht am Ziel ist. Als Bürgermeisterin einer kleinen Stadt liegt es jetzt an uns, Häuser wieder aufzubauen, Menschen glücklich zu machen und wieder eine lebenswerte Gesellschaft zu errichten. Doof nur, dass wir nach der großen Schlacht gegen den bösen Magier unser Gedächtnis verloren haben. Jeder kennt und liebt uns, aber wir haben alles vergessen.
Auch wenn Littlewood auf der Basis eines abgeschlossenen RPGs aufbaut, ist das Spiel inhaltlich viel näher dran an Titeln wie Animal Crossing: New Horizons und Stardew Valley. Statt einen Fokus auf Kämpfe zu legen - warum auch, fast alle Monster sind besiegt - bauen wir Gemüse an, fangen Insekten, rupfen Unkraut, angeln Fische und ziehen nebenbei eine komplette Stadt hoch, inklusive Wohngebäuden, Händlern, Restaurants und Museum. Vieles in Littlewood erinnert an die entspannte, ruhige Atmosphäre großer Lebenssimulationen.
Täglich grüßt die To-Do-Liste
Sogar die "28 Tage pro Jahreszeit"-Regel aus Harvest Moon und Stardew Valley ist hier vertreten. Wir beginnen im Frühling, nehmen an Festtagen wie der großen Hühnerjagd teilt und wer weiß, wenn wir jeden Tag Komplimente verteilen, ist ja irgendwann auch die große Liebe drin. Die Einflüsse trägt Erfinder Young also offen zur Schau, aber hier wartet keine bloße Kopie auf euch. Littlewood kommt mit einer Reihe an eigenen Ideen, mit denen die charmante Aufbausimulation überzeugen kann.
Hannes Rossow
@Treibhausaffekt
Ich habe ein Herz für Lebenssimulationen und kann mich regelmäßig darin verlieren, Tomaten anzupflanzen und Bäume zu fällen. So auch in Littlewood, das die Genre-Konventionen bestens ausfüllt. Aber hier steckt noch mehr drin! Die clevere Idee der Ausgangslage motiviert ungemein, den Wiederaufbau voranzutreiben und für alle NPCs ein gemütliches Nest zu schaffen.
Im Mittelpunkt stehen hier nämlich die vielen, miteinander verzahnten Fortschrittsysteme, die uns quasi alles aufleveln lassen, was nicht bei drei auf dem Slimeapple-Baum ist. Es gibt 10 unterschiedliche "Hobbies" wie Sammeln, Fischen, Craften oder Kochen, die wir je nach Nutzung individuell aufwerten können. Auch unsere Freundschaft mit den Stadtbewohnern, die nach und nach in unseren Ort ziehen, lassen sich über Gespräche und Gefallen aufleveln, losgelöst vom Herz-Zähler, der romantisches Interesse andeutet.
Alles was wir in Littlewood tun können, bringt uns auf die eine oder andere Weise weiter. Jeder neue Tag hält unzählige Aufgaben für uns bereit, die wir abschließen können. Vielleicht ist heute ja große Ernte, oder wir spenden Ausstellungsstücke an das Museum, oder wir gehen ins Sägewerk, oder basteln neue Möbeln, die zum Geschmack unserer Freunde passen, oder oder oder. Was nach viel Arbeit klingt, könnte aber entspannender kaum sein, denn ein Zeitlimit wie in Stardew Valley gibt es hier nicht.
Alle Zeit der Welt
Statt uns einfach zehn oder fünfzehn Minuten pro Tag zu geben, basiert der Tagesrhythmus auf unserer Ausdauer. Wir können nämlich nur eine begrenzte (aber großzügige) Anzahl an Aktionen absolvieren, bevor wir zu müde werden und ins Bett müssen. Das Gute daran ist, dass nicht alle Aktivitäten tatsächlich Ausdauer kosten. Wir können so viel herumlaufen wie wir wollen und auch das Bauen und Anpassen unserer Stadt ist "kostenlos". Und hier werden kreative Geister aufblühen.
Wir dürfen nämlich nicht nur entscheiden, wo wir neue Gebäude platzieren dürfen. Littlewood hat einen kompletten Terraforming-Modus zu bieten, der uns Berge abtragen, Flüsse und Teiche anlegen und jeden Gegenstand auf der Karte bewegen lässt. Auf diese Weise können wir wirklich jeden Aspekt unserer Stadt nach unseren Wünschen anpassen - oder den Wünschen der Bewohner. Die haben nämlich auch Vorlieben, so will der rüstige Dudley etwa ganz in der Nähe des örtlichen Cafés wohnen, in dem er gleich morgens seinen Kaffee schlürft.
Mit der Zeit kommen immer neue Gebäude und Bauoptionen hinzu, die wir strategisch setzen und regelmäßig neu denken müssen - allein die Stadtplanung ist eigentlich schon ein selbstständiges Logikrätsel. Zahlreiche Deko-Elemente machen dann das Animal Crossing-Gefühl trotz vereinfachter Pixel-Optik perfekt. Keine Littlewood-Stadt gleicht der nächsten und wir können unser ganz eigenes Zuhause aufbauen.
Kleine Stadt, große Welt
Littlewood beschränkt sich aber längst nicht nur auf unseren kleinen Ort. Mit einem Heißluftballon können wir auch andere Gebiete bereisen, um dort Ressourcen zu sammeln oder seltene Gegenstände einzusacken. Ein Trip in den Endless Forest beschert uns jede Menge Baumaterial und auch Holz seltener Bäume. In den Dust Caverns steigen wir hingegen in eine zufallsgenerierte Höhle ab, in der wir Schatztruhen und Erze aufstöbern können. Sogar andere Städte lassen sich später mit dem Heißluftballon besuchen.
Es gibt viel zu entdecken in Littlewood und jedes neue Item und jeder neue Charakter bringt auch wieder Möglichkeiten mit, unsere Stadt auf das nächste Level zu heben. Der Wiederaufbau der gebeutelten Welt von Littlewood ist unglaublich entspannend und befriedigend zugleich, auch weil den Charakteren anzusehen ist, wie sehr sie den zurückgewonnenen Frieden und die Entschleunigung vermisst haben.
Dass es Littlewood dann sogar noch schafft, eine süße Geschichte rund um die dramatische Vergangenheit zu stricken, ist dann vielleicht der letzte Funken, der das riesige Feuer der Motivation entfacht. Denn, Überraschung: Unsere Amnesie hat auch dazu geführt, dass wir besonders schöne und besonders schlimme Dinge vergessen haben, die uns irgendwann aber wieder einholen. Und sei es nur die Nachbarin, die früher vielleicht mehr war als nur unsere "allerbeste Freundin".
Ein Switch-Geheimtipp für den Lockdown
Falls ihr Stardew Valley durchgespielt habt oder euch auf eurer Animal Crossing-Insel mittlerweile langweilt, könnte Littlewood genau das Kleinod sein, das diese Lücke füllen könnte. Vollgepackt mit Möglichkeiten aber ohne jeden Zwang überhaupt etwas zu tun, ist die Wiederherstellung einer gesunden Community vielleicht genau das, was uns allen im Lockdown gerade so sehr fehlt.
Einen kleinen Wermutstropfen gibt es aber noch: Littlewood ist auf dem PC zwar schon länger zu haben und am 25. Februar endlich auch für die Nintendo Switch erschienen - leider aber noch nicht in Europa. Entwickler Young erklärt, dass die europäische Version noch geprüft werde und etwas später erscheint. Wann das genau ist, wissen wir noch nicht. Fest steht aber: Das Warten wird sich definitiv gelohnt haben.
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