Star Wars: Battlefront 2 hat schon vor Release eine riesige Debatte um Mikrotransaktionen, Lootboxen und Heldenpreise hervorgerufen. Dadurch wurde das eigentliche Spiel etwas vernachlässigt. Nachdem es um die Kontroverse nun seit ein paar Tagen etwas ruhiger geworden ist, möchte ich in dieser Kolumne zeigen, warum EA mit Iden Versio die Ausgangslage für einen spannenden Charakter geschaffen hat, nur um ihn dann gekonnt gegen die Wand zu fahren.
Ich spreche hiermit eine klare Spoiler-Warnung für die Story der Battlefront 2-Kampagne aus. Wer die Geschichte noch unvoreingenommen erleben will, sollte jetzt aufhören zu lesen.
Die dunkle Seite ist nicht stark genug
Eigentlich könnte ich mehrere Kolumnen schreiben. Über die unlogischen Entscheidungen, die von den Charakteren getroffen werden. Und darüber, dass vieles, von dem was passiert, keinen Sinn ergibt. Über unfähige Führungskräfte auf beiden Seiten, mit denen weder die Rebellion, noch das Imperium auch nur eine einzige Woche hätten existieren können. Und über unangebrachten Fanservice, der der Kampagne auch noch das letzte bisschen Seele raubt, bevor das typische Disney-Ende über den Bildschirm flackert. Leider habe ich dafür keinen Platz. Daher konzentriere ich mich auf den Aspekt, der mich von allen am meisten enttäuscht hat: Die Charakterentwicklung von Iden Versio.
Als EA die Kampagne von Star Wars: Battlefront 2 angekündigt hat, war ich positiv überrascht. Die Prämisse klang wirklich vielversprechend. Aber ich machte einen Fehler, denn ich erhoffte mir, endlich eine halbwegs ordentliche Geschichte aus der Sicht des Imperiums erleben zu können.
Maximilian Franke
Max hat sich eigentlich auf Star Wars: Battlefront 2 gefreut. Das Original von 2005 gehört auch heute noch zu seinen liebsten Multiplayer-Shootern. Doch der neueste Teil enttäuscht ihn nicht nur wegen EAs Geld-Politik. Die kann (und wird) wenigstens noch angepasst werden. Doch das gilt leider nicht für den Singleplayer, der zu viel Potential verschenkt.
Stattdessen kündigte sich das Unheil bereits in den ersten Missionen an. Iden Versio, die vermeintlich treue Imperiale, stellt alle paar Minuten ihre Befehle in Frage. Nicht nur das, in der zweiten Mission auf Endor kritisiert sie ganz offen die gesamte Führungsebene und den Imperator persönlich. Auch später spricht sie sich gegen ihre Vorgesetzten aus. Wie soll jemand, der so kritisch ist wie Iden, jemals die hohe Position der Anführerin einer Elite-Einheit erreicht haben? Und das in einer Organisation, in der widersprechende Offiziere per Machtgriff erwürgt werden, wenn der Chef einen schlechten Tag hat?
Das angestrebte Ziel der Entwickler ist klar: Iden Versio ist natürlich gar nicht böse. Nein, Iden Versio ist eine strahlende Heldin aus dem Bilderbuch, die sich barmherzig um Zivilisten sorgt und nur ihre Heimat verteidigen möchte. Nachdem sie feststellt, dass das Imperium unschuldige Menschen opfern will (wie untypisch für das Imperium), wechselt sie sofort zu den Leuten, die ihr Leben lang ihre Todfeinde waren. Ich stelle die Frage erneut: Was hat sie die letzten Jahre ihres Lebens in den Rängen des Imperiums gemacht? Möglicherweise hat sie nur die Post ausgetragen. Man weiß es nicht. Die treue Elite-Soldatin eines diktatorischen Regimes, als die sie uns verkauft wird, kann sie jedenfalls nicht gewesen sein.
Idens unlogische Charakterzeichnung lässt sich auf das eigentliche Problem zurückführen: Die Entscheidung, dass sie zu den Rebellen überläuft. Dabei hätte EA zahllose Möglichkeiten gehabt, uns eine wirklich neue Geschichte zu erzählen. Wir könnten die Ausbildung von Iden zur Sturmtruppe miterleben, vom ersten Tag bis zur Beförderung zur Spezial-Einheit. Die Geschichte von jemandem, der als Unbeteiligter Angehörige bei einem Rebellen-Angriff verloren hat und Rache schwört. Außerdem bietet sich das Inferno Squad bestens für eine Kampagne im Stil von Star Wars: Republic Commando an.
Oder wie wäre es mal mit einem Rebell, der zum Imperium überläuft? Mit Rogue One: A Star Wars Story wurde in den Filmen offiziell "anerkannt", dass auch die Rebellen Dinge tun (müssen), die gegen jede Moral sprechen. Ähnliches hat Ubisoft bereits in Assassin's Creed: Rogue versucht. Vielleicht nicht makellos, aber immerhin bis zum Ende durchgezogen. Stattdessen gibt uns EA eine langweilige Heldengeschichte, die wir oft genug erlebt haben. Davon abgesehen: Wenn Iden schon überlaufen muss, dann doch bitte nachvollziehbar. Star Wars: The Force Unleashed hat es bereits wesentlich besser vorgemacht.
Warum nicht mutiger sein?
Das Imperium ist eine riesige Organisation, die den eigenen Angaben nach für Ordnung und Frieden sorgen will. Tatsächlich verbirgt sich dahinter nur das Streben nach Macht durch Angst und Unterdrückung. Aber auch wenn das Imperium nur "das Böse" ist, was es von mir aus auch sein kann, besteht es trotzdem aus Menschen. Menschen, die nicht alle völlig verdorben sind. An dieser Stelle möchte ich daran erinnern, dass auch Luke Skywalker in Episode 4 eigentlich auf die imperiale Akademie wollte, genau wie viele seiner Freunde vor ihm. Ich finde es ist Zeit für differenziertere Geschichten, die mir wirklich die Gesichter unter den weißen Helmen zeigen.
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Es gibt bereits Beispiele, die die Ambivalenz des Bösen erfolgreich umgesetzt haben. Im Videospiel-Bereich verweise ich z.B. auf das erste Mafia, das eindrucksvoll und nachvollziehbar zeigt, warum der Protagonist Tommy Angelo zur Rechten Hand eines brutalen Mafia-Bosses wurde.
Ein weiteres gutes Beispiel für diese Art von Story ist der Anime Jin-Roh. Dieser hat sogar einige Parallelen zur Prämisse von Battlefront 2. Wir erleben die Geschichte eines Elite-Soldaten, der für die Besatzer kämpft, die sein Land unterdrücken. Dabei geht es dem Film nicht darum, eine faschistische Ideologie zu verteidigen. Stattdessen zeigt er uns die persönliche Entwicklung des Protagonisten und die inneren Konflikte, die er aufgrund seiner Tätigkeit mit sich zu führen hat.
Natürlich ist es unwahrscheinlich, dass EA und Disney ein düsteres Kriegs-Drama als Kampagne für ein Star Wars-Spiel schreiben werden. Immerhin richtet sich das Franchise zu einem großen Teil an ein sehr junges Publikum. Damit deren Kaufkraft nicht entfällt, müssen die Produkte entsprechend ausgerichtet sein. Aber die Beispiele zeigen, wie das Böse näher beleuchtet werden kann, ohne dass es verherrlicht wird.
Ironischerweise stellt sogar Star Wars: Battlefront 2 die Imperiale Seite besser dar. Ja, richtig gelesen. Schon das Original von 2005 verfolgte diesen Ansatz und hatte eine Kampagne, die aus Sicht einer einfachen Sturmtruppe erzählt wurde. Das Gameplay war unspektakulär und die Geschichte recht oberflächlich. Unser Protagonist hatte nur wenige Charakterzüge, aber er war Sturmtruppe mit Leib und Seele. Er war geschockt, als die Rebellen in Episode 4 mit der Zerstörung des ersten Todessterns Tausende seiner Freunde töteten. Er hatte einen Grund, die Rebellen zu hassen. Logisch, nachvollziehbar und konsequent. Drei Eigenschaften, die das Reboot nicht für sich beanspruchen kann.
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