Senua, die Heldin aus Hellblade, ist eine echte Kämpferin: stark, furchtlos - mitunter, wenn es sein muss, auch furchteinflößend. Eben eine Frau, die man nicht zur Feindin haben möchte. Aber auch eine Frau, die für jemanden, den sie liebt, wortwörtlich durch die Hölle geht. Gleichzeitig ist sie ein Mensch mit einer psychischen Erkrankung, die für uns als Spielende erlebbar wird - und diese Kombination macht sie in der Videospielwelt ziemlich einzigartig.
Eine Einzelkämpferin
Senua ist eine Kriegerin, die den Pikten angehört, einer frühen, in Schottland beheimateten Kultur. Doch wir erleben sie nicht inmitten ihres Stammes, sondern als Ausgestoßene, die ihren Weg ganz alleine bestreiten muss - und schon das ist bemerkenswert. Hellblade zeigt uns eine weibliche Hauptfigur, die bei ihrer gefährlichen Mission noch stärker auf sich allein gestellt ist, als viele andere Heldinnen und Helden. Sie gabelt unterwegs keine Verbündeten auf. Sie hat niemanden, der in bester Deus ex Machina-Manier die Show für sie rettet.
Trotzdem ist Senua wild entschlossen, der nordischen Totengöttin Hela höchstpersönlich entgegenzutreten, um diese zu bewegen, ihren Liebsten Dillion wieder zum Leben zu erwecken. Der wurde nämlich von den Wikingern auf grausame Weise getötet.
Samara Summer
@Auch_im_Winter
Samara spielt seit ihrer Grundschulzeit Videospiele. Ging es ihr dabei zunächst nur um das Gameplay, so ziehen sie seit einigen Jahren vor allem auch spannende Geschichten und interessante Hauptfiguren in ihren Bann. The Last of Us war ihr erstes großes Aha-Erlebnis in dieser Beziehung. Samara taucht gerne in die unterschiedlichsten Realitäten ein, lernt neue Sichtweisen kennen und hält die klischeefreie Repräsentation von Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Problemen auch ganz persönlich für sehr wichtig.
Die Welt durch Senuas Augen
Die Kurzzusammenfassung von Helblades Geschichte mag zunächst einmal nach einem simplen, düsteren Fantasy-Drama klingen. Doch durch die ungewöhnliche Heldin und die intensive Darstellung ihrer Seelenwelt wird daraus eine weitaus vielschichtigere und universellere Story.
Senua ist eine traumatisierte Person mit Schizophrenie, die Halluzinationen hat und Stimmen hört. Im Spielverlauf hören auch wir diese Stimmen - und damit nicht genug: Ob wir Portale mithilfe leuchtender Runen öffnen, gegen plötzlich auftauchende Krieger mit Tierschädelmasken kämpfen oder uns von einer Sekunde auf die andere in einem brennenden Dorf wiederfinden - Hellblade lässt uns während der gesamten Handlung durch Senuas Augen sehen.
Das Spiel lässt uns die Welt erfahren, wie Senua sie erfährt und stellt diese Sichtweise niemals in Frage oder stellt ihr eine scheinbar objektive Realität gegenüber. Dieser empathische Ansatz, also im übertragenen Sinne das Innere einer Figur nach außen zu tragen, ist eine große Besonderheit des Spiels. Selten sind wir einer Videospielfigur so nahe.
Klischeebruch
Senua ist zudem meiner Meinung nach eine wichtige fiktive Person, weil sie mit ihrer psychischen Erkrankung die starke Heldin des Spiels ist, unsere Sympathieträgerin, die ihren Liebsten retten will. Sie wird weder als schwach, noch als bösartig dargestellt - zwei Klischees, die in dem Zusammenhang häufig herhalten müssen. Nur zu oft findet in fiktiven Geschichten - und auch im realen Leben - eine Stigmatisierung statt.
Während psychische Erkrankungen in der Fiktion oft missbraucht werden, um Personen zu entmenschlichen, war es dem Entwicklerteam Ninja Theory ein Anliegen, uns Senuas Sichtweise und ihre Welt nachfühlen zu lassen, sie verständlich zu machen, ohne sie zu verurteilen. Im Entwicklungsprozess wurden nicht nur Expertinnen und Experten wie Dr Paul Fletcher, Psychiater und Professor an der Universität Cambridge, zurate gezogen, sondern auch die Geschichten von Menschen mit psychischen Erkrankungen und Problemen gehört.
Ob die Darstellung gelungen ist, müssen am Ende alle Spielenden für sich selbst entscheiden. Mich haben Senuas Persönlichkeit und ihre Reise jedenfalls nachhaltig beeindruckt und ich finde es lobenswert, dass Ninja Theory es gewagt hat, ihre Protagonistin fernab von sämtlichen Klischees anzusiedeln.
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