Schere schneidet Papier, Papier bedeckt Stein, Stein schleift Schere -- diese »Spielmechanik« ist auf der ganzen Welt bekannt. Und offensichtlich ist sie in den 80er-Jahren Vorbild für ein neues Videospiel aus dem Hause Capcom. Denn auch in Mega Man für das NES gibt es ein festes Prinzip, welche Waffe der Held gegen welchen der sechs Bossgegner einsetzen sollte. Wer zum Beispiel »Bombman« besiegt und dessen Hyper-Bombs einsammelt, kann im Anschluss »Gutsman« mit Leichtigkeit in die Luft sprengen. Und mit dessen mechanisch verstärkten Armen lassen sich Steine auf »Cutman« schleudern … wo wir wieder bei »Stein schleift Schere« wären.
Was uns heute sonnenklar erscheint, ist 1989 nur schwer herauszufinden. Kein Internet, keine Komplettlösungen, keine Informationen -- dafür jede Menge Lust auf virtuelle Abenteuer. Und so schlüpfen wir in die blaue Blechhaut von Mega Man, um die Roboter des bösen Dr. Wily aufzuhalten. Der eigentlich gar nicht böse aussieht, sondern wie der Pixel-Bruder von Albert Einstein. Sei's drum: Wer die Weltherrschaft will, muss aufgehalten werden.
Hybrid-Antrieb
Der Menü-Bildschirm eröffnet damals ungeahnte Möglichkeiten: Wird uns im 8-Bit-Zeitalter die Reihenfolge der Levels meist vorgeschrieben, haben wir in Mega Man die Wahl. Zum Einstieg empfiehlt sich das Level von Bombman. Er lässt sich nämlich auch ohne Extrawaffe leicht besiegen. Also stapfen wir durch seine explosive Spielwelt, ballern uns mit dem Blaster den Weg frei und springen über bewegliche Plattformen. Die Spielmechanik läuft quasi per Hybrid-Antrieb: Eine Mischung aus Jump&Run und Shoot 'em Up, die so ihre technischen Eigenheiten hat. Zum Beispiel, dass der Held nur nach vorne schießen kann. Wer also fliegende Feinde erwischen will, schafft das nur im Sprung.
Solch eine Limitierung wäre heute undenkbar, macht das Spiel aber seinerzeit zu einer spannenden Herausforderung. Irgendwann merken wir gar nicht mehr, dass wir diagonale und vertikale Schüsse vermissen. Zumal die Extrawaffen manchen Ausweg bieten: Die 100.000-Volt-Wumme von »Elecman« zum Beispiel feuert ihre Blitze in drei verschiedene Richtungen. Damit man sich mit den Spezial-Wummen aber nicht einfach durch die Levels fräst, ist ihre Munition begrenzt.
Grüne Plattform-Hölle
Diese Plattformen! Bei aller Ballerei und Waffenkunde sind uns vor allem einige der Hüpfeinlagen im Gedächtnis geblieben. Mit den grünen Plattformen im Level des Gutsman, die sich nicht nur seitlich bewegen, sondern auch noch regelmäßig nach unten wegklappen, verbindet uns eine innige Feindschaft. Zumindest so lange, bis wir den finalen Sprung geschafft haben -- in der Rückschau werden die Höllen-Hüpfer dann zum genialen Abenteuer. Immer wieder fordert Capcom uns heraus, lässt uns Sprungpassagen auswendig lernen und hetzt uns dazu noch ballernde Schrotthaufen auf den Hals. Danke dafür!
Genauso wie für die seinerzeit eindrucksvolle Grafik, die eingängige Musik und die spannenden Bosskämpfe. Auch wenn manche davon mit der richtigen Waffe nur zehn Sekunden dauern. Überhaupt ist Mega Man eine kurze Angelegenheit, lässt sich das Spiel, in der richtigen Reihenfolge doch an einem Abend durchspielen. Flinke Finger und Frust-Resistenz vorausgesetzt.
Das Mega-Multiversum
Allein zehn Episoden umfasst die klassische Mega Man-Reihe heutzutage, dazu kommen zahlreiche Spin-Offs und Gastauftritte des blauen Helden in anderen Spielen. Stolze 72 Titel, in denen Mega Man auftaucht, zählt die virtuelle Datenbank mobygames.com. Ganz zu schweigen von Comics, Actionfiguren, Sammelkarten … kurz: Capcoms Kreation ist ein fester Bestandteil der Popkultur geworden.
Dabei vergisst man manchmal, welche ursprünglichen Qualitäten der blaue Roboter eigentlich hat: Er fegt in seinem ersten NES-Auftritt 1989 durch ein gleichermaßen simpel wie elegant konstruiertes Abenteuer. Zwar kommen in den folgenden Abenteuern viele gute Ideen und denkwürdige neue Bossgegner hinzu, doch das Ur-Mega Man ist auch das puristischste. Einfach so, wie ein Videospiel sein soll.
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