Seit vorgestern wissen wir, Sony hat seinen Glauben an Generationen endgültig verloren. Sollten kommende Exklusivspiele noch Mitte 2020 ausschließlich für die PS5 erscheinen, war bereits nach der Ankündigung von Horizon Forbidden West für die PS4 klar, diese Strategie bzw. dieses Versprechen an Käufer:innen der "Next-Gen"-Konsole ist hinfällig. Da nun auch God of War 2 und Gran Turismo 7 für die in die Jahre gekommene Hardware erscheinen, ist der Drops endgültig gelutscht.
Allerdings wurde mit dem Statement von Sony Worldwide Studio-Chef Hermen Hulst nicht nur eine einstige Strategie komplett verworfen, speziell durch den Wegfall der PS5-Exklusivität von Gran Turismo 7 ändert sich ein ganz entscheidender Punkt: Jetzt ist es wahrscheinlicher denn je, dass die deutlich leistungsschwächere PS4 Sonys neues Flaggschiff tatsächlich entscheidend ausbremsen könnte. Schließlich gelten Rennspiele seit jeher als Grafik-Benchmarks für eine neue Generation.
Die Hintergründe: "We believe in Generations"
Als Antwort auf vermehrt aufkommende Gerüchte - zum Start der PS5 soll es keine Cross-Gen-Titel mehr geben - gab PlayStation-Chef Jim Ryan im Mai 2020 folgendes Statement:
"Wir haben immer gesagt, dass wir in Generationen glauben. Wir glauben daran, dass wenn du durch all die Schwierigkeiten der Entwicklung einer Next Gen-Konsole gehst, dass sie Features und Vorteile enthalten sollte, welche die alte Generation nicht enthält."
"Wir glauben an Generationen, sei es der DualSense, das 3D-Audio, die unterschiedlichen Wege die SSD zu nutzen … wir denken es ist an der Zeit der Community etwas neues, etwas anderes zu geben, das nur auf der PS5 stattfindet."
In Folge Ryans Statement wurde daher angenommen, neue Exclusives erscheinen ausschließlich für die PS5. Für viele ein Grund, den Generationenwechsel so früh wie möglich in die Wege zu leiten. Sony stellte damit zudem den Gegenentwurf zu Microsoft, die zuvor bekanntgaben, alle ihre Spiele plattformübergreifend anzubieten.
Für weitere Hintergründe, schaut gerne in meine Kolumne aus dem September 2020:
Warum Sonys Lüge bislang "kein Problem" war
Dass zum Release einer neuen Generation erscheinende Exklusivspiele wie Horizon Forbidden West weiterhin von möglichst vielen PlayStation-Spieler:innen gespielt werden können, speziell in Zeiten der enormen Knappheit der PS5, ist per se eine tolle Sache. Schon vor dem Launch der neuen Konsole war klar, dass hier Lieferengpässe entstehen würden. PS4-Fans von Aloy würden kaum alle rechtzeitig zur Veröffentlichung des neuen Ablegers an die frische Hardware kommen.
Davon abgesehen ist es ein großer Unterschied, ob ein zum Generationenwechsel erscheinendes Open-World-Spiel wie Forbidden West Cross-Gen erscheint, oder ein Rennspiel wie Gran Turismo 7.
Guerilla traue ich es im Vergleich zu manch kleinerem Third-Party-Studio durchaus zu, zwei technisch saubere Versionen für PS4 und PS5 zu entwickeln, wobei die PS5-Version mit allem nötigen Technik-Schnickschnack daherkommt: Einbindung des DualSense, eine verbesserte Auflösung und Framerate, verkürzte Ladezeiten, Raytracing und und und.
Klar ist, beim Open-World-Design wird das Spiel Abstriche machen müssen. Filler-Übergänge, wie sie beispielsweise ein God of War unter anderem mit der Boot-Passage hatte, werden aller Voraussicht nach vorhanden sein. Dennoch sind das aus meiner Sicht eher verschmerzbare Einbußen. Bei Gran Turismo 7 sieht das jedoch ganz anders aus.
Gran Turismo 7 als Cross-Gen-Titel ist eine herbe Enttäuschung
Kaum ein zweites Genre profitiert so sehr von verbesserter Hardware, wie Rennspiele. Wenn ich als großer Motorsportfan an Gran Turismo 7 denke, dann schwirren Begriffe wie "Fotorealismus", "revolutionäres Schadensmodell" und "clevere KI" durch meinen Kopf. Rennspiele stellen speziell im Bereich der Technik und Optik seit jeher Benchmarks für die jeweilige Konsolengeneration dar.
Bereits 1997 habe ich meinen Vater aufgedreht in mein Zimmer gezerrt und gesagt "Dad, schau, das ist Gran Turismo für PlayStation, das ist doch Fotorealismus". Den ungläubigen Gesichtsausdruck beim Blick auf meinen kleinen Röhrenfernseher kann ich heute nachvollziehen. Auch, dass er danach kopfschüttelnd aus dem Raum gegangen ist. Der springende Punkt ist aber, dass die Fahrzeugmodelle eines Forza, eines Gran Turismo oder auch eines Project Cars schon seit Jahrzehnten bei Fans die Kinnlade bis zum Boden sinken lassen. Bräuchte ich nicht beruflich eine PS5, hätte ich spätestens zum Release von GT7 versucht an die neue Hardware zu kommen.
Doch jetzt, mit einer PS4-Version in der Mache, schaut all das ganz anders aus. Natürlich wird die PS5-Version besser aussehen. Doch der Punkt ist, dass Sony keine zwei Spiele entwickeln wird. Es wird höchstwahrscheinlich Anpassungen geben, die mehr oder weniger sichtbar sind.
Aber Sony wird auf der PS4 nicht das 08/15 Schadensmodell implementieren, während mir auf der PS5 beim Crash tausend Teile um die Ohren fliegen. Die Umgebungen werden schön aussehen, aber niemals so umwerfend, wie bei einem reinen PS5-Exclusive. Auch die KI wird keine gänzlich andere sein, sondern sich höchstwahrscheinlich an den Limitierungen der PS4 orientieren müssen. Codemasters F1-Reihe ist hier ein gutes Beispiel: Zwar wurde das Fahrverhalten der Computergegner über die Jahre angepasst, doch noch immer ist hier wortwörtlich abseits der Ideallinie massig Luft nach oben. Und das ist einfach unfassbar schade.
Wann soll man sich denn jetzt eine PS5 kaufen?
Dass Spiele, die im Releasejahr einer neuen Konsole erscheinen auch für die Last-Gen angeboten werden, ist verständlich. Speziell aus wirtschaftlicher Sicht, da schließlich der Großteil der Spieler:innen den Generationenwechsel noch nicht vollbringen wollten/konnten.
Da God of War 2 und Gran Turismo 7 aber erst irgendwann 2022 als Cross-Gen-Titel erscheinen, stellt sich mir die hypothetische Frage: "Für was soll ich mir denn überhaupt eine PS5 kaufen?". Klar, Returnal ist toll. Ratchet & Clank schaut auch vielversprechend aus. Auch die neuen technischen Vorzüge sind eine feine Sache, im Fall von 60fps sogar sehr fein. Aber reicht das aus, um im besten Fall 500 Euro in die Hand zu nehmen, wenn ich die meisten Spiele mit leichten Einbußen auf meiner PS4 bis ins Jahr 2022 spielen kann?
Hier sei angemerkt, dass sich Sony bei Exklusivtiteln über die Jahre einen Vertrauensvorschuss erarbeitet hat, abseits von Days Gone meist technisch saubere Spiele veröffentlicht hat. Auch Spider-Man: Miles Morales hat zuletzt als Cross-Gen-Titel bewiesen, dass die PS4-Version ohne größere Probleme spielbar ist. Ich lass die Frage nach dem PS5-Kauf offen, schließlich muss das jeder für sich entscheiden. Die Überlegung steht jedoch mehr denn je im Raum.
Schreibt mir gerne in die Kommentare, wie ihr "we believe in generations" im Jahr 2021 seht und ob eure Vorfreude auf Gran Turismo 7 ein wenig gedrückt wurde.
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