Der Casual-Controller
Von einer massiven Marketingkampagne angeschoben wird der Start von Kinect im November 2010 zu einem unerwartet großen Erfolg für Microsoft: In zwei Monaten verkauft das Unternehmen acht Millionen Einheiten der Peripherie, und das, obwohl 150 US-Dollar bzw. Euro für die Peripherie samt Kinect Adventures ein teures Vergnügen sind - das Bundle inklusive 4 GB-Xbox 360 ist gerade mal doppelt so teuer.
Trotz des hohen Preises schafft es der geplante Zusatzprozessor nicht ins Gerät, die Xbox 360-CPU muss die komplette Rechenarbeit übernehmen. Geschätzte zehn Prozent der Konsolenleistung werden in den Betrieb der Bewegungssteuerung investiert, was ein ehemals angedachtes Nachpatchen alter Spiele auf einen optionalen Kinect-Einsatz hin schwierig macht.
Über Softwaremangel können sich Kinect-Käufer allerdings nicht beschweren: Im Startmonat erscheinen satte 18 Kinect-Titel, wobei sich nicht nur Microsoft-eigene Studios des Themas annehmen, sondern auch zahlreiche Dritthersteller.
Die Menge an Spielen täuscht allerdings eine Vielfalt vor, die es nicht gibt: Kinect-Titel richten sich entweder an Kinder und Familien (Kinectimals, Harry Potter und die Heiligtümer des Todes, Kinect Sports) oder an Bildschirm-Sportler, die mit EA Sports Active 2, Your Shape: Fitness Evolved oder Dance Central gelungene Alternativen zum populären Wii Fit bekommen.
Core-Gamer gucken jedoch in die Röhre, woran auch Titel wie die platte Ubisoft-Prügelei Fighters Uncaged oder das ungelenke Hoverboard-Spektakel Sonic Free Riders nichts ändern. Daneben enttäuscht hiesige Erstkäufer das Fehlen einer deutschen Sprachsteuerung - sie wird erst ein gutes Jahr später via Patch nachgeliefert, ebenso wie die Xbox-Menüführung via Handbewegungen.
Man muss Kinect zu Gute halten: Das Gerät funktioniert, optimale Bedingungen vorausgesetzt, vor allem in puncto Positionierung der Spieler vor dem Fernseher. Bei vielen Spielern ist die Luft nach der ersten Aha-Phase trotzdem schnell wieder raus: Mit einem Pad-Controller lässt sich ein Spiel nun mal direkter und genauer steuern als durch Hand- und Körperbewegungen, rasch wird deutlich, dass sich nur wenige Genres wirklich für eine ausschließliche Gestensteuerung eignen.
Microsoft kann zwar einige kompetente Studios für die Entwicklung von Kinect-Core-Games gewinnen. An sich ordentlich designte und inszenierte Titel wie Segas Survival-Horror-Spiel Rise of Nightmares oder Capcoms Mech-Action Steel Battalion: Heavy Armor machen wegen der unpassenden und ungenauen Bewegungssteuerung aber wenig Spaß.
Auf Zwang folgt Untergang
Microsoft glaubt dennoch weiterhin an Kinect, so sehr sogar, dass man die Peripherie obligatorisch für die nächste Konsolengeneration macht. Dabei geht es allerdings eher um Bedienkomfort und soziale Features, der Einsatz der Bewegungssteuerung in Spielen rückt in den Hintergrund.
Was sogar ein bisschen schade ist: Kinect für Xbox One ist dem Vorgänger technisch nämlich weit voraus und funktioniert erheblich genauer als dieser. Der Kinect-Zwang allerdings stößt auf wenig Gegenliebe bei den Spielern: Bei Veröffentlichung der Xbox One wird der Anschluss der Peripherie dem Nutzer zwar freigestellt, Kinect muss aber mitgekauft werden, was den Startpreis des Gerätes erhöht.
Mittlerweile gibt es die Konsole auch ohne Kinect, das bislang sowieso nur von einer Handvoll Titel unterstützt wird. Die Microsoft-Manager selbst haben das Thema offensichtlich komplett zu den Akten gelegt: Auf den Spielemessen im Jahr 2014 spielte die Kamera-Hardware keine Rolle mehr.
So endet vier Jahre nach dem Debüt langsam die Karriere von Kinect - einer innovativen und technisch eindrucksvollen Peripherie, die letztlich an einer verfehlten Produktpolitik gescheitert ist.
Und an dem Umstand, dass man auf das Rad in der Theorie zwar verzichten kann, es dafür in der Praxis aber gar keinen vernünftigen Grund gibt.
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