Wer als Hesse im Dunstkreis von Frankfurt seine Jugend verbringt, kann sich den abenteuerlichen Geschichten rund um die Frankfurter Eintracht nur selten entziehen. Obwohl ich als Junge nur wenig Interesse für die Bundesliga aufbringen konnte, blieben mir von diesen Erzählungen trotzdem viele im Gedächtnis, wie zum Beispiel der legendäre Klassenerhalt 1999.
Sportdrama in Reinform
Einen Sieg und vier Tore Vorsprung benötigte die Eintracht damals, um am letzten Spieltag noch rechnerisch eine Chance auf den Klassenerhalt zu haben. Beim Gegner handelte es sich um den 1. FC Kaiserslautern, für den es immerhin noch um die Champions-League-Teilnahme ging. Schon ein Sieg galt hier als äußerst unwahrscheinlich und als es zur Halbzeit nur 0:0 stand, rechnete im Waldstadion niemand mehr mit dem Wunder.
Doch die Eintracht steckte nicht zurück, erzielte nach dem 1:1 in 12 Minuten noch drei Tore und wäre gerettet gewesen, wenn Nürnberg nicht in der 85. Minute auf 1:2 verkürzt hätte. Erst in der 89. Minute gelang Jan Åge Fjørtoft der erlösende Treffer zum 5:1, wodurch die Frankfurter entgegen jeder Wahrscheinlichkeit den Abstieg vermeiden konnten.
Fabiano Uslenghi (@StillAdrony)
Obwohl es Fabi bevorzugt eigentlich auf Rollen- und Singleplayer-Spiele wie Skyrim, The Witcher 3 oder Uncharted 4 abgesehen hat, schafft es FIFA trotzdem immer wieder sich auf seine Festplatte zu schmuggeln. Wenn die Fußball-Simulation dann schließlich über den Bildschirm flimmert, verbringt er seine Zeit hauptsächlich im Karrieremodus, da er hier so viele Hoch- und Tiefpunkte in einer Saison durchleben kann, wie er es von der Frankfurter Eintracht im echten Leben gewöhnt ist - behauptet er zumindest. In Wahrheit wird gemunkelt, dass er für Online-Modi wie FUT oder Seasons einfach nur nicht gut genug ist.
Der Grund weshalb ich diese Erzählung aus der Mottenkiste krame, ist kein bloßer Anflug nostalgischer Schwärmerei. Diese Geschichte ist ein fantastisches Beispiel dafür, wie kurios der Fußball sein kann und welcher Art von hauseigener Dramatik diese Sportart für Fans auf der ganzen Welt zu etwas Besonderem macht. Allerdings reden wir hier nach wie vor noch von der Realität. Der virtuelle Fußball hat es da scheinbar deutlich schwerer. Im Vergleich zur restlichen Welt der Videospiele ist FIFA nicht dafür bekannt, aufgrund seiner vielfältigen Geschichten und dramatischen Wendungen gespielt zu werden.
Die Sportsimulation ist für viele entweder eine rein kompetitive Erfahrung, sowohl online, als auch lokal, oder eben das einzige Spiel, für das sich Fußball-Fans überhaupt interessieren. Trotzdem gibt es Spieler wie mich, die FIFA aus keinem der beiden besagten Gründe seit Jahren spielen. Weder empfinde ich großes Vergnügen daran, online gegen gesichtslose Gegner zu gewinnen, noch ist der Fußball an sich für mich ein Grund Jahr um Jahr Geld für diese Reihe auszugeben. Was macht FIFA für mich also so interessant?
Endlose Handlungsfreiheit
Wenn ich eine Blu-ray in meinem Laufwerk zum Rotieren bringe, dann handelt es sich dabei in der Regel um Spiele, die mir eine Geschichte vorsetzen, oder die Gelegenheit geben, selber Welche zu erzählen. Bei Letzterem handelt es sich in erster Linie um solche Spiele, die dazu in der Lage sind, Storys praktisch aus dem Nichts zu generieren, indem der Spieler in eine Welt entlassen wird, die zwar keinen vordefinierten Spannungsbogen, dafür aber endlose Möglichkeiten für uns bereithält. In No Man's Sky bestimmen wir beispielsweise selber wohin wir reisen wollen und abhängig von unserem Verhalten und der zufallsgenerierten Welt, auf der wir landen, erlebt jeder von uns seine ganz eigene Geschichte. Gleiches gilt für die Flut an Survival- und Sandbox-Spielen wie DayZ oder Minecraft. Keinem anderen Medium ist es auf diese Art möglich, jeden Tag hunderte verschiedener Geschichten zu erzählen. Häufig wird dabei allerdings übersehen, dass auch Sportspiele zu dieser Art des Erzählens in der Lage sind.
Dieses Jahr scheint sich EA dem Story-Potenzial, das FIFA zugrunde liegt, so bewusst zu sein, wie niemals zuvor: Der Journey-Modus von FIFA 17 soll Spielern die Gelegenheit geben, als Newcomer Alex Hunter in der englischen Premier-League für Furore zu sorgen. Dabei erlebt der Protagonist eine eigene Geschichte, die sich nicht nur auf dem Platz abspielt. Die Handlung von The Journey liegt irgendwo zwischen Telenovela und Sportdrama der Marke Hollywood, doch tatsächlich hat FIFA bereits seit Jahren einen ganz anderen Modus in der Hinterhand, der Spielern interessante Fußball-Geschichten viel weitreichender ausleben lässt.
Im Karriere-Modus übernehme ich als Trainer selber die Verantwortung über einen Verein, ändere die Formation und schlage mich mit dem Vorstand rum. Allein durch seine Nähe zum realen Sportgeschäft bietet dieser Modus das größte Potenzial, um die unglaublichsten Fußball-Geschichten zu schreiben. Alles, was wir dafür tun müssen, ist die Augen offen zu halten.
Gameplay statt Cutscene
Während ich mich in The Journey also mit einer leidlich innovativen Story rund um einen einzigen Spieler in einer einzigen Liga abfinden muss, die dazu noch nach einer Saison bereits zu einem raschen Ende kommt, bietet mir der Karriere-Modus eine niemals enden wollende Flut möglicher Handlungsabläufe. Ganz wie bei No Man's Sky oder Minecraft entstehen die Geschichten hier nicht auf dem Papier, sondern werden durch meine Spielweise bedingt.
Jedes Jahr bekomme ich die Gelegenheit, mit einem Verein meiner Wahl Geschichten zu erleben, die dem eingangs beschriebenen Klassenerhalt der Frankfurter Eintracht in Sachen Dramatik durchaus Paroli bieten können. Ganz abhängig davon, wie ich meine Karriere als Trainer angehe, erwarten mich die verschiedensten Herausforderungen. Es liegt ganz an mir, ob ich die wohl schlechteste Mannschaft der Liga zum unerwarteten Aufstieg führe, oder in letzter Sekunde ein Pokalfinale verliere, das eigentlich schon so gut wie gewonnen war. Anders als bei Online-Seasons, treffe ich hier jede Hin- und Rückrunde auf die gleichen Gegner und lerne sie von Spiel zu Spiel besser kennen.
Jede Saison, jedes Spiel, jeder Zweikampf bekommt einen völlig neuen Wert, wenn ich vorher weiß, was für mich und alle anderen auf dem Spiel steht. Ich weiß, wann es für den Gegner um den Abstieg geht, oder treffe auf ehemalige Spieler, die meinen Verein aus verschiedensten Gründen verlassen haben. Manchmal geht es um meine eigene sportliche Zukunft, wenn ich kurz davor bin entlassen zu werden, oder jene meiner Spieler, wenn etwa der ausgediente Stürmerstar für ein letztes Spiel noch einmal auf den Platz kommt und das entscheidende Tor erzielt. Selbstverständlich ist es nicht garantiert, dass jede Saison auch solche Spannungselemente hervorbringt, aber wer am Ball bleibt und sich die Brisanz gewisser Konstellationen selber herleiten kann, wird selten enttäuscht. Auch die Möglichkeiten zum Erzrivalen zu wechseln oder einen Jungstar zum Vereinshelden zu machen, würzt die persönlichen Fußball-Geschichten zusätzlich. Dafür braucht es weder Cutscenes noch Schauspieler, ich weiß vorher nie, welche Geschichten dieses Jahr auf mich zukommen.
Sportspiele wie FIFA bergen viel mehr spannende Geschichten, als ihnen zugetraut wird und auch wenn der The Journey-Modus nun offensichtlich in diese Kerbe schlägt, werde ich wohl immer lieber wachsam meine eigene wendungsreiche Trainer-Karriere verfolgen, als Alex Hunters von langer Hand geplanten Erfolg zu bestaunen.
Solltet ihr aus ähnlichen Gründen eure Zeit lieber im Karrieremodus verbringen, dann erzählt mir doch von euren ganz persönlichen und dramatischen FIFA-Geschichten!
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