Kleine Problemchen
Wer bei der Prämisse »Kinder absolvieren Kampfausbildung« jetzt ein knallhartes Militär-Drama wie Full Metal Jacket erwartet, wird bei Ender's Game - allein schon wegen der FSK-12-Altersfreigabe - enttäuscht. So hat man als Zuschauer nie den Eindruck, Ender und seine Kameraden würden eine besonders entbehrungsreiche Zeit in der Kampfschule durchmachen müssen.
Zwar erlaubt Regisseur und Drehbuch-Autor Gavin Hood seiner Hauptfigur, traurige Briefe an seine daheimgebliebene Schwester Valentine (Abigail Breslin) zu tippen, der Rest des Tagesablaufs ist aber mehr futuristisches Ferienlager als brutales Bootcamp: Morgens in der Schwerelosigkeit Lasertag spielen, Mittagessen, nachmittags Strategie-Unterricht im Holo-Projektionsraum. Zwar gerät Ender auch selten mal mit seinen Ausbildern oder anderen Rekruten aneinander, große Konflikte, anhaltende Schikane oder unlösbare Probleme gibt es aber so gut wie gar nicht. So scheint es, als würde Ender alles mühelos einfach zufliegen - und das in den Schwerelosigkeits-Duellen sogar wortwörtlich.
Da ist es leider nur konsequent, dass Hood auch die Folgen des Krieges größtenteils außen vor lässt. Von Leid und Zerstörung der Erde sprechen die Figuren zwar kurz, wirklich zu sehen ist aber nichts. Dadurch fällt es als Zuschauer schwer, eine emotionale Verbindung zu den Rekruten aufzubauen oder sich gar mit ihnen zu identifizieren.
Großer Unsinn
Zur mangelnden Bindung gesellt sich dann noch ein weiteres Problem: Den Machern des Films ist es nicht gelungen, die strategische Brillanz des Ender Wiggins verständlich zu vermitteln. Viele seiner Manöver wirken nämlich bei weitem nicht so genial oder unkonventionell wie sie von seinem Ausbilder Colonel Graff bejubelten werden. Das wirft wiederum die Frage auf, weshalb das Militär überhaupt ausgerechnet Kinder rekrutieren muss, wenn auch deren Lösungen nicht besonders viel kreativer als die von Erwachsenen sind.
Als Zuschauer des Films ist man deshalb eher damit beschäftigt über Sinn und Unsinn von Kinder-Generälen nachzudenken, anstatt wie der Leser des Buches die Militärstrategie moralisch in Frage zu stellen.
Immerhin: Mit einem gelungenen Twist kurz vor Schluss kann der Film sogar noch einmal überraschen.
Fazit
Michael Obermeier: Nein, so wirklich gepackt hat mich Ender's Game nicht. Dabei habe ich vor der Pressevorführung absichtlich das Buch nicht gelesen, um die Geschichte komplett »unvorbelastet« erleben zu können. Dadurch habe ich mich einerseits zwar nicht an den im Film großzügig ausgesparten Handlungssträngen mit Enders Geschwistern gestört, wurde aber trotzdem das Gefühl nicht los, dass die Handlung die ganze Zeit über gehetzt wirkt. Immerhin haben die tollen Spezialeffekte in den Kampfsimulationen vieles wieder herausgerissen. Wer mit nicht allzu hohen Erwartungen an die Verfilmung ins Kino geht, wird deshalb trotzdem gut unterhalten. Ein Meilenstein des Sci-Fi-Kinos ist der Film zum Meilenstein der Sci-Fi-Literatur aber nicht geworden.
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