Achtung: Diese Kolumne enthält dicke Spoiler zu The Last of Us und The Last of Us 2 sowie Gewaltbeschreibungen.
Einige, die The Last of Us 2 gespielt haben, kritisieren Ellies rachegetriebene, gewaltbereite Entwicklung. Aus meiner Sicht ist diese jedoch nicht nur nachvollziehbar, sondern auch die einzig logische; obgleich auch ich kein Fan der drastischen Gewaltdarstellungen im Spiel bin.
Kein Joel!? Als ich hörte, dass eine Fortsetzung zu TLOU erscheinen wird, in der wir Ellie und nicht Joel spielen, war ich überaus skeptisch. Im ersten Teil hatte mich Ellie als Begleiterin zwar nicht gestört, sie war für mich aber dennoch einfach nur ein Kind, mit dem ich mich kaum identifizieren konnte. Joel hingegen konnte zugänglicher kaum sein.
Er war bei weitem nicht perfekt und zeigte zahlreiche Schwächen sowie klar zu kritisierende Verhaltensweisen. Dennoch habe ich ihn geliebt, weil ihn gerade diese Schwächen menschlich gemacht haben. Diese Ausstrahlung hat er an die neue Protagonistin weitergegeben und schnell eroberte die derbe und erwachsene Ellie mein Herz.
Erinnert ihr euch noch? Das war der erste Teaser zu The Last of Us 2:
Weißt du noch, wie's früher war?
Zwischen dem ersten TLoU-Teil und der Fortsetzung wurde ein sehr großer Sprung gemacht, der dadurch zunächst für einen harten Schnitt sorgt. Noch dazu wird zwischen beiden Spielen eine ganz bestimmte Entwicklungsphase ausgespart, in der enorm viele Veränderungsprozesse ablaufen: Die Pubertät. So auch bei Ellie.
In The Last of Us haben wir sie noch als humorvolles und schüchternes Mädchen kennengelernt, das Giraffen und Comics mag und das im DLC Left Behind erste zaghafte, romantische Bande zu ihrer Freundin Riley knüpft. Joel folgt sie überallhin hin und fasst schnell Vertrauen zu dem Schmuggler. Dieser bindet sich als Vater, der seine leibliche Tochter verloren hat, sehr viel schneller an das Kind, als es umgekehrt der Fall ist.
Gerade als ihm bewusst wird, wie wichtig Ellie ihm ist und sie beginnt, diese Gefühle zu erwidern und ihn als Vater anzunehmen, kommt es zum Vertrauensbruch: Joel belügt Ellie. Sie scheint zu ahnen, dass ihre einzige und engste Bezugsperson nicht aufrichtig zu ihr war, schweigt aber.
Liebe und Wut liegen nah beieinander
Auf dieser Grundlage starten wir den zweiten Teil, nun mit der erwachsenen Ellie als Protagonistin. Die Beziehung zu Joel hat über die Jahre gelitten, wohl auch ob der großen Lüge. Beide leben in Jackson, das Joels Bruder Tommy mit aufgebaut hat und das inzwischen zu einem kleinen Städtchen herangewachsen ist.
Nur noch selten sehen wir das Vater-Tochter-Gespann zusammen. Ellie umgibt sich nun vor allem mit Gleichaltrigen aus der Siedlung und führt ihr eigenes Leben. Nichsdestotrotz sind Joel und Ellie einander unheimlich wichtig, aber beiden scheint es schwer zu fallen, damit umzugehen. Joel, den das schlechte Gewissen und die Unfähigkeit, Gefühle zu zeigen, plagen und Ellie, die Joel zwar liebt, aber spürt, dass sie von ihm betrogen wurde.
Unterschwellig macht es Ellie schon zu diesem Zeitpunkt zu schaffen, dass kein Heilmittel gegen den Cordyceps gefunden werden konnte, was sie ihrem eigenen Überleben zuschreibt. Erst gegen Ende des Spiels erfahren wir durch eine Cutscene, dass Ellie bereits seit zehn Jahren weiß, dass Joel sie aus dem Firefly-Krankenhaus gerettet hat, anstatt ihrem Wunsch nachzukommen, der Wissenschaft im Kampf gegen den Cordyceps zu dienen.
Wie auch immer man das Verhältnis zwischen Ellie und Joel beurteilen mag, klar ist, dass es kein einfaches und überaus angespanntes ist. Vieles blieb sowohl auf Joels als auch auf Ellies Seite ungesagt.
Nele Wobker
@ElenRekbow
Mein Verhältnis zu TLoU 2 und Ellie ist gemischt. Zum einen schreckten mich die ersten, sehr gewaltvollen Trailer zum Spiel ab und zum anderen konnte ich mir nicht vorstellen, Ellie anstelle von Joel zu steuern. Ellies Rachefeldzug trieb mich dann aber immer weiter durch die Story, bis ich mich irgendwann mit den Umständen aussöhnte.
In dieser ohnehin schon schwierigen Zeit macht sich Abby mit ihren "Wolfs" auf die Suche nach dem Mörder ihres eigenen Vaters. Dieser war Arzt in dem Krankenhaus, das Joel im ersten Teil stürmte, um Ellie zu befreien. Dabei tötet Joel den damals noch namenlosen Mediziner. Zumindest war er zu diesem Zeitpunkt aus Sicht der Spieler*innen noch ein Unbekannter. Alles andere als unbekannt hingegen ist uns Joel, der in TLoU2 schließlich von Abby aufgespürt, gefoltert und brutal zusammengeschlagen wird. Ellie muss dies hilflos mit ansehen. Abbys Gruppe hält sie am Boden fixiert, während diese nichts tun kann, als zu schreien und zu flehen, sie mögen Joel in Ruhe lassen.
Als Abby mit einem Golfschläger schließlich zum letzten und tödlichen Schlag gegen Joels Kopf ausholt, wird alles um Ellie herum dumpf. Wir hören nur noch einen schrillen Tinnitus und Ellie, die noch immer am Boden gehalten wird und brüllt, dass sie alle umbringen wird.
Dass Ellie aufgrund der Ereignisse eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) entwickelt, die ihr Handeln ab da leitet, ist keine Überraschung und wurde in einem Interview mit IndieWire von Narrative Lead Halley Gross und Director Neil Druckmann bestätigt.
Kein Verständnis für Abby
Ich habe Joel geliebt. Seine Todesszene war mit einer der schlimmsten Videospielmomente, die ich bis dato erlebt habe und ich war wild entschlossen, Ellie in ihrem Bestreben nach Rache zu unterstützen. Ich bin auch eine der (gefühlt) wenigen Spieler*innen, die keinerlei Zuneigung für Abby empfinden. Mir ist egal, dass auch Abby es nicht leicht im Leben hatte, dass sie einer alten Jugendliebe nachtrauert und dass ihr manche Menschen am Herzen liegen.
Nichts davon rechtfertigt die Art und Weise, in der sie Joel getötet hat. Joel brachte ihren Vater im Affekt und mit einem Schuss um und wurde dafür stundenlang gefoltert, weil Abby "es genießen" wollte. Ich konnte sie bis zum Schluss nicht ausstehen. Da helfen auch keine gescheiterten Romanzen, der tote Vater oder knuddelige Hunde. Zumal letztere ja sowieso in erster Linie für die Zwecke der Gruppe missbraucht werden, womit billigend in Kauf genommen wird, dass sie verletzt oder gar getötet werden.
Mehr zu Abby: Kollege Max erklärt in seiner Kolumne, warum er mehr unsympathische Arschlöcher wie Abby spielen möchte.
Santa Barbara liefert den Abschluss
Ellie und Abby bekämfen sich das gesamte Spiel über, bis es zur Konfrontation zwischen den beiden Protragonistinnen, Lev und Dina kommt. Letztere wird beinahe von Abby getötet, doch durch Levs Intervention lässt sie schließlich von Ellies Partnerin ab. Zunächst scheint dies der ersehnte Durchbruch im Kreislauf von Mord und Gewalt zu sein, doch Ellie wird weiterhin von Joels Todesszene verfolgt. Sie genießt inzwischen ein idyllisches Leben mit Dina und ihrem Baby. Ellie leidet noch immer an ihrer PTBS, Schuldgefühlen, weil sie noch lebt, obwohl Joel tot ist und der fehlenden Erlösung.
Eine ausführliche Analyse des Endes von The Last of Us 2 kann hier nachgelesen werden:
Ihr Wunsch nach Rache ist zwar noch immer nachvollziehbar, aber dass sie Dina und das Kind verlässt, um sich erneut auf die Suche nach Abby zu machen, erscheint zunächst sinnlos. Erst einige Zeit nach Beendigung des Spiels wurde mir bewusst, wie wichtig Ellies Auseinandersetzung mit Abby in Santa Barbara auch für mich war, um mit Joel abzuschließen. Dass sie dennoch alles verloren hat, ist nur konsequent.
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