Es ist Mittwoch, der 12. Januar 2011. Soeben haben wir Electronic Arts’ Pressesprecher Martin Lorber nach einem Interview alles Gute für den morgigen Tag gewünscht. Am Donnerstag geht’s für ihn wieder nach Berlin, wieder zur Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle, zur USK. Wieder, um dort einer Prüfung von Dead Space 2 beizuwohnen. Zum bereits sechsten Mal. Wobei es eigentlich nur drei reguläre Prüfverfahren gibt, aber EA wollte bei Dead Space 2 auf Nummer sicher gehen und hatte das Horrorspiel der Prüfstelle bereits im vergangenen September in einer unfertigen Version für ein Gutachten vorgelegt. Die USK entschied damals, dass der Titel kein Altersfreigabesiegel erhalten würde. Electronic Arts nahm daraufhin Änderungen vor. Genauer: Man entfernte »friendly fire« aus dem Multiplayer-Modus. Danach übergab der Publisher das Spiel erneut der USK, abermals in einer unfertigen Version für ein Gutachten. Die Antwort der USK: Ja, wir würden den Titel in dieser Form mit dem »Keine Jugendfreigabe«-Siegel (ab 18 Jahren) kennzeichnen. »Leider besteht durch so einer Vorabzusage kein Anspruch«, erklärt uns Martin Lorber im Interview. So war es zwar ärgerlich und enttäuschend, aber nicht anfechtbar, als die USK im ersten regulären Prüfverfahren gegen ein Siegel stimmte.
Dem Vorgänger Dead Space wurde 2008 ebenso zunächst eine Alterskennzeichnung verweigert. Ein Publisher darf allerdings in Berufung gehen. Zweimal. Die zweite Prüfung ergab wieder: kein Siegel. Abermals eine Berufung. Nach der letzten Sichtung vor dem großen Gremium der USK war’s dann endlich geschafft. Dead Space bekam die »18«. Der gleiche Vorgang spielte sich Ende 2010 mit Dead Space 2 ab, auch hier stand am Ende die Freigabe für Erwachsene. Die Länder allerdings dürfen in den ersten zehn Tagen nach einer Alterskennzeichnung Einspruch erheben. Dieses so genannte Appellationsverfahren hatte es bei der USK mit über 30.000 gesichteten Titeln noch nie gegeben. Dead Space 2 ist die Premiere, der Präzedenzfall. Das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen (BStMAS) unter der Leitung von Christine Haderthauer (CSU) erzwang so die nunmehr sechste Prüfung. Einen Grund dafür nannte das Ministerium nicht.
Wir wollten es genauer wissen. Das BStMAS antwortete GamePro/GameStar auf die Frage, was das Ministerium zur Appellation veranlasst habe, unter anderem: »Das Spiel enthält ein Ausmaß an Gewaltdarstellungen, die verrohende und zu Gewalt anreizende Wirkung auf Jugendliche haben können. Das Spiel ist bestimmt von durchgängig präsentem Horror und drastischer Inszenierung von Gewalt- und Metzelszenen, wobei ein ›Nachtreten‹ nach am Boden liegenden Gegnerfiguren für ein erfolgreiches Absolvieren des Spiels auch noch von Vorteil ist.« Okay, Dead Space 2 strotzt nur so vor Gewalt. Aber wie soll es Einfluss auf Jugendliche haben, wenn es dank des roten USK-Siegels nur an Erwachsene verkauft werden darf? Weiter heißt es im Antwortschreiben des Ministeriums: »Erst in einer Beiratsentscheidung der USK in dritter Instanz wurde die Alterskennzeichnung beschlossen. Damit wäre der Weg zu einer Indizierung durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) versperrt gewesen. Im Jugendschutzgesetz ist bei Zweifelsfällen aber eine enge Abstimmung zwischen USK und BPjM vorgesehen. Bayern will diese Abstimmung mit der Appellation ermöglichen.« Klartext: Das Spiel hat zwar eine Freigabe für Erwachsene, aber wir bereiten den Boden für eine Indizierung durch die Hintertür. Ein absurder Vorgang, auch weil sich Dead Space 2 in Sachen Gewalt kaum vom Vorgänger unterscheidet. Bei dem hatte das bayerische Ministerium keine Bedenken. Oder wahrscheinlicher: Es kannte ihn nicht.
Es ist Donnerstag, der 13. Januar, kurz vor 18 Uhr. Soeben hat uns der Publisher Electronic Arts über die finale Entscheidung der USK informiert. Dead Space 2 hat das rote Siegel erhalten, es wird regulär an Volljährige verkauft werden dürfen, eine Indizierung ist nun nicht mehr möglich. Wir können nur hoffen, dass das Scheitern des BStMAS als abschreckendes Beispiel dienen und in Zukunft weitere Appellationsverfahren verhindern wird.
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