Eines morgens wachte ich mit einem unangenehmen Piepen in meinem rechten Ohr auf. Der schrille, hohe Ton war unüberhörbar und ließ sich weder durch eine Dusche noch Herumgerubbel an der Ohrmuschel vertreiben. Einige Stunden später erhielt ich von meinem Arzt dann die befürchtete Diagnose: Tinnitus. Vielleicht chronisch, auf jeden Fall akut. Er drückte mir ein Plastiktütchen voller homöopathischer Medikamente und einer großen Packung Kortison in die Hand und verordnete mir viel Ruhe. Mit etwas Glück würde das Piepen wieder verschwinden, mit etwas weniger Glück müsse ich mich an das ständige Störgeräusch gewöhnen.
Wieder daheim angelangt suchte ich nach Ablenkung. In den leblosen Weiten des Ödlands von Fallout 4 übertönte das Piepen in meinem Ohr sowohl den postapokalyptischen Radiosender als auch die keifenden RAD-Skorpione. Das störende Geräusch konnte ich dank der lautstarken Schusswechsel von Battlefield 1 zwar vorübergehend übertönen, hörte es anschließend aber gefühlt wieder hundertfach verstärkt. Wie sollte ich mich von dem Piepen ablenken? Oder würde ich mich an das Geräusch gewöhnen müssen? Wäre absolute Stille oder doch Lärm auf den Ohren die geeignetere Umgebung für mich, um das Störgeräusch (zumindest vorübergehend) ausblenden zu können?
Ratlos warf ich meine Fragen ins Internet und stieß auf eine große Gaming-Community, die sich mit ganz ähnlichen Problemen herumschlägt und eigene Lösungen gefunden hat.
Das ständige Piepen im Ohr
Tinnitus ist eine sehr weit verbreitete Erkrankung, die auch ohne eine mechanische Verletzung des Gehör-Apparats auftreten kann. Bei fast der Hälfte aller Fälle wird laut Angaben der Deutschen Tinnitus-Liga e.V. bei der Erstuntersuchung und auch darüber hinaus keine eindeutige Ursache des Tinnitus gefunden. Vermutet wird hier dann oftmals, dass körperlicher und psychischer Stress für das Ohrensausen verantwortlich sind - viel mehr, als die Beine hochzulegen und sich Ruhe zu gönnen, können die Patienten in diesen Fällen nicht tun.
Über Tinnitus
Tinnitus ist der medizinische Fachausdruck für Ohrgeräusche oder Ohrensausen. Nach Angaben der Deutschen Tinnitus-Liga e.V. einer der größten gemeinnützigen Selbsthilfeorganisationen des Landes, kommt es jährlich bei etwa zehn Millionen Erwachsenen zu akutem oder chronischem, also dauerhaften Tinnitus. Bei 35 Prozent dieser Personen sei das Ohrgeräusch nur in ruhigen Momenten hörbar, während 44 Prozent der Betroffenen den Ton über den normalen Alltagsgeräuschen vernehmen. Bei 17 Prozent sei der Tinnitus selbst noch bei großem Lärm, wie starkem Straßenverkehr in unmittelbarer Nähe, wahrnehmbar.
Im Falle des Twitter-Users und langjährigen Spielers Salith of Nowhere war die Ursache für seinen Tinnitus allerdings eindeutig: Der heute Vierzigjährige wurde 2005 während eines Feueralarms in einer gekachelten Toilette eingeschlossen, aus der er sich mehrere Minuten lang nicht befreien konnte. Das laute Alarmsignal befand sich fast direkt über seinem Kopf und richtete dauerhaften Schaden im Hörapparat des Mannes an, bevor er die Kabine verlassen konnte.
Seit diesem Vorfall hört Salith ein ständiges Piepen im Ohr, das exakt auf der Frequenz eines normalen Gesprächs in einem geschlossenen Raum liegt. Das bedeutet, dass er Unterhaltungen in seiner Umgebung nicht ohne Weiteres folgen kann, da die Worte von dem Piepen in seinem Ohr überblendet werden. Und auch auf sein liebstes Hobby wirkt sich der Tinnitus aus: Salith ist seit seiner Jugend großer Videospielfan und zählt Klassiker wie Beyond Good and Evil oder Wing Commander zu seinen Lieblingstiteln. Das ständige Piepen im Ohr ließ Salith zunächst befürchten, dass er Videospiele nie wieder ungestört genießen könnte. Allerdings fand er Mittel und Wege, mit dem Störgeräusch im Hintergrund umzugehen:
"Weil mein Tinnitus auf der Frequenz eines normalen Gesprächs liegt, ist es mir schon eine große Hilfe, die Untertitel in einem Spiel zu aktivieren und mich auf diese Texte zu konzentrieren. Damit bekomme ich das Störgeräusch schon ganz gut in den Griff. So kann ich beispielsweise auch immer noch recht gut hören, wenn ein Geräusch von einer Ecke weiter oder hinter mir kommt und darauf reagieren - auch wenn ich dennoch meistens nicht genau weiß, was genau ich da eigentlich gehört habe."
Mittlerweile hat er sich an seinen Tinnitus weitestgehend gewöhnt, sodass es für ihn auch kein großes Problem darstellt, eigene Let's Plays aufzunehmen, obwohl er seine eigene Stimme dabei meist gar nicht hören kann.
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