Ende Dezember 2012 steht eine Zahl im Raum. 60 Millionen Dollar. Weniger als die Hälfte dessen, was die Deutschen am vergangenen Silvester 2012 in den Himmel geblasen haben, der (ungefähre) aktuelle Marktwert von Mario Götze (Borussia Dortmund), ein Sümmchen, wie ein Sandkorn in der Wüste des amerikanischen Haushaltsdefizits. Für THQ allerdings der Betrag, der die Rettung bringen soll. Mehr soll die Firma nicht mehr wert sein. Der einstmals viertgrößte Publisher der Welt hat im Dezember 2012 nach längerem Siechtum freiwillig Insolvenz angemeldet. Allein die WWE (World Wrestling Entertainment) will 45 Millionen Dollar Lizenzgebühren von THQ. Insgesamt soll sich der Schuldenstand auf weit über 100 Millionen Dollar belaufen.
Auftritt der Investment-Firma Clearlake. Mit der führt THQ schon seit Oktober 2012 Verhandlungen. Wobei Clearlake jedoch angeblich nur als Mittler fungieren soll, der eigentliche Investor mit 60 Millionen Rettungsdollar im Gepäck wird namentlich nie genannt. Ziel des Deals ist es, den Publisher zu erhalten und nicht in Teile aufzuspalten, um diese dann einzeln zu verkaufen.
Doch der Plan von Clearlake beziehungsweise THQ, genau das zu vermeiden, scheitert. Die Gläubiger (darunter die WWE, Mattel und Viacom) geben zu bedenken, dass der Verkauf »am Stück« an Clearlake niemals so viel Kapital einbringen würde wie eine häppchenweise Veräußerung. Die zuständige Richterin spricht den Gläubigern am 7. Januar 2013 Recht zu; die einzelnen Marken, Lizenzrechte, technischen Anlagen sowie die Teams sollen an die Meistbietenden verteilt werden. Ubisoft und Electronic Arts sowie Warner melden früh Interesse an. Käme allerdings beim stückweisen Verkauf weniger als die minimal anvisierten 60 Millionen Dollar zusammen, ginge der Publisher doch in Clearlakes Hände beziehungsweise in die des anonymen Investors.
23. Januar 2013: In einer 22stündigen Auktion werden Studios und Marken des Unternehmens versteigert, etwa 100 Millionen Dollar kommen dabei zusammen. Eine Summe, die weit über dem Mindestgebot Clearlakes liegt. Damit ist das Schicksal von THQ besiegelt. Mitarbeiter, die nicht zu den übernommenen Unternehmen gehören, werden entlassen. Lediglich eine kleine Mannschaft bleibt übrig, bis die Übernahmen abgewickelt sind.
Aber wie kann es soweit kommen, dass ein großer Publisher wie THQ in der heutigen Zeit Pleite geht, wenn man doch allenthalben davon hört, dass die digitale Unterhaltung das Filmgeschäft längst weit hinter sich gelassen hat? Wo hat THQ die entscheidenden Fehler gemacht? Wo sind die wahren Gründe für das Aus des Publishers?
Spiele-Hauptquartier goes hardcore
THQ beginnt Ende 1989 als Toy Head Quarters (»Spiele-Hauptquartier«) mit dem Vertrieb von klassischem Spielzeug, in den frühen 1990ern startet die Firma auch den Vertrieb von Videospielen, 1994 wird der Handel mit »analogem« Spielzeug dann endgültig eingestellt. THQ hat sich in seinen Anfangstagen darauf spezialisiert, Lizenztitel zu Filmen oder Serien zu veröffentlichen. Home alone (Kevin allein Zuhaus), Wayne’s World oder The Adventures of Rocky and Bullwinkle and Friends (basiert auf einer Comic-Serie) werden zwar von eingefleischten Spielern bestenfalls müde belächelt, aber die Produktionskosten liegen damals noch weit unter den heutigen Budgets und die (oft uninformierte) potenzielle Kundschaft wächst explosionsartig, zu diesem Zeitpunkt verkauft sich so gut wie jedes PC- und Videospiel. Kurz: Die Lizenzversoftungen von THQ finden ihre Abnehmer.
Doch wer wachsen will, muss wagen, muss investieren, muss Neues ausprobieren und sich neuen Märkten öffnen. Den so genannten Hardcore-Markt fasst THQ etwa zur Jahrtausendwende ins Auge. 2000 kauft man den Entwickler Volition, der sich zuvor mit den großartigen Descent- beziehungsweise Freespace-Spielen einen Namen gemacht hat. Von den drei großen Volition-Marken ist allerdings nur noch eine und zwar die jüngste übrig: die anarchische Saints Row-Reihe (der erste Teil erschien 2006 und ausschließlich für die Xbox 360).
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Das Rollenspiel Summonerbleibt zumindest auf dem PC hinter den Erwartungen. Mit dem nur kurz zuvor erschienenen Baldur’s Gate 2(24. September 2000) kann Summoner (26. Oktober 2000) nicht konkurrieren. Auf der Playstation 2 läuft’s besser, was -primär daran liegt, dass der Titel im Erscheinungsjahr in seinem Genre nahezu konkurrenzlos auf der Plattform bleibt. So erscheint der zweite und letzte Teil der Reihe dann auch nur noch auf Konsolen (PS2 und Gamecube), allerdings ohne dass die Verkäufe einen dritten Teil rechtfertigen. Die anfänglich erfolgreiche Red Faction-Reihe bietet auch im letzten Teil (Red Faction: Armageddonvon 2011) Actionspaß in zerstörbaren Umgebungen, tritt ansonsten aber auf der Stelle und heimst durchwachsene Kritiken ein. THQ stellt die Serie 2011 ein.
Kriegshammer und Disney-Spiele
Der zweite große Einkauf, den sich THQ leistet, ist Relic Entertainment. Der Entwickler hat sich vor allem bei den Hardcore-Spielern mit der Homeworld-Reihe (1999-2003) einen guten Ruf erworben. Gut für THQ: Relics erster großer Wurf für die Firma ist bei der Übernahme 2004 schon so gut wie fertig: Warhammer 40.000: Dawn of War(2004). Ein Kritikerliebling und auch bei den Spielern hoch im Kurs. Gleiches gilt für den Nachfolger Warhammer 40.000: Dawn of War 2(2009), und auch Relics Company of Heroes(2006) begeistert Fachpresse und Echtzeit-Taktiker weltweit. Trotzdem sind die Titel keine Megaseller, die Beschränkung auf den PC als einzige Plattform verhindert weltweit riesige Abverkäufe.
Dawn of War 2 - Screenshots ansehen
Der Serien- beziehungsweise Filmmarkt bleibt für THQ trotz der Neuausrichtung auf Hardcore-Spiele zunächst eine gute Einnahmequelle. THQs Deal mit Disney/Pixar spült ordentlich Geld in die Kassen. Die Versoftungen von beispielsweise The Incredibles(2004) und Cars(2006) verkaufen sich plattformübergreifend hervorragend. Und auch die Nickelodeon-Serienumsetzungen gehen nach wie vor gut. Allein SpongeBob’s Atlantis SquarePantis verkauft sich 2007 über 2,5 Millionen Mal. Disney jedoch beginnt nach und nach damit, die auf eigenen Filmmarken basierenden Titel unter dem Label Disney Interactive selbst zu veröffentlichen. Und auch THQs Serienversoftungen nehmen an Reichweite ab. Kinder wenden sich mehr und mehr den Free2Play-Angeboten im Internet zu. SpongeBob Squiggle Pants von 2011 findet gerade mal noch eine halbe Million Abnehmer weltweit.
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