A Way Out - Warum das Action-Adventure simples Gameplay braucht

A Way Out ist eine der beeindruckendsten Koop-Erfahrungen des Jahres. Besonders schwierig ist es aber nicht. Und das ist auch gut so, findet Ann-Kathrin.

Simples Gameplay hilft im Fall von A Way Out mit der Immersion. Simples Gameplay hilft im Fall von A Way Out mit der Immersion.

Ich habe A Way Out genau so gespielt, wie Director Josef Fares es empfohlen hat: Mit Freunden auf der Couch. Dabei habe ich herzhaft gelacht, mich furchtbar geärgert und das ein oder andere Tränchen vergossen. In diesem Riesenhaufen von Emotionen hat aber ein Gefühl gefehlt: Herausforderung. A Way Out ist nicht besonders schwierig. Das ist meiner Meinung nach aber keine Schwäche, sondern eine Stärke. A Way Out hätte mit kompliziertem Gameplay nämlich nicht funktioniert.

Ein zwiespältiges Erlebnis
A Way Out im Test

Das hat einen ganz einfachen Grund: Die Stärke von A Way Out liegt in den Erfahrungen, die wir beim Spielen machen. Genau wie Leo und Vincent, die durch ihre Erlebnisse von Fremden zu Freunden werden, schweißt A Way Out auch die Freunde vor dem Bildschirm enger zusammen. Das geht aber nur, wenn sie die Geschichte wirklich erleben und sich voll darauf konzentrieren können.

Und hier würde kompliziertes Gameplay dem Spielerlebnis gleich in mehreren Punkten in die Quere kommen.

Explosionen zum Einschlafen

Zum einen ist A Way Out ein fast schon cinematisches Adventure. Viele der wichtigsten Momente sind wie in einem Film inszeniert: Dramatische Verfolgungsjagden, eine Explosion, die uns von den Füßen reißt, oder ein Bösewicht, der genau zu dem Zeitpunkt auftaucht, an dem wir ihn am wenigsten erwartet hätten. Diese Szenen sind aber nur deswegen so beeindruckend, weil sie unerwartet kommen.

Um die Gegend zu genießen braucht es Zeit. Um die Gegend zu genießen braucht es Zeit.

Wäre die überraschende Explosion beispielsweise in eine besonders schwierige Passage eingebettet, bei der wir mehr als einmal sterben, würde das dazu führen, dass wir sie immer wieder sehen müssen. Dadurch würde die Explosion und infolgedessen die ganze Szene an Kraft verlieren.

Das wäre ungefähr so, wie sieben Mal durch die gleiche Geisterbahn zu fahren und sich zu wundern, warum wir uns beim achten Mal nicht mehr vor den Monstern gruseln. Das Erlebnis kann mich nicht mehr packen oder bewegen, weil es durch die vielen Wiederholungen schlichtweg langweilig geworden ist.

Keine Zeit zum Armdrücken

Zum anderen erzählt A Way Out eine spannende Geschichte rund um Freundschaft, Loyalität und Familie. Die lebt unter anderem von den kleinen Wortgefechten, die sich Leo und Vincent unterwegs liefern, von der atmosphärischen Spielwelt und von den unzähligen kleinen Nebenbeschäftigungen, die wir beim Durchspielen entdecken können.

Um das aber alles mitzubekommen, müssen wir die Muße haben, abseits vom Spielgeschehen auch mal stehen zu bleiben und Baseball zu spielen, Schnurrbärte auf Gemälde zu malen oder einen Bauarbeiter zum Armdrücken herauszufordern.

Wenn allerdings, wie zum Beispiel in Dark Souls 3, hinter jeder Ecke etwas lauert, dass mich töten könnte, gehe ich nicht entspannt und neugierig durch die Welt. Sondern mit der Waffe im Anschlag. Zeit oder Ruhe, die Welt genauer unter die Lupe zu nehmen, habe ich da nicht. In einer Welt, in der mich alles umbringen will, werde ich garantiert nicht versuchen, eine Kuh zu streicheln. Denn erstens gibt es in Dark Souls so etwas freundliches wie Kühe nicht und zweitens würden die sich, gäbe es sie doch, unter Garantie in irgendetwas mörderisches verwandeln.

In Dark Souls würde uns der Basketballkorb angreifen. In Dark Souls würde uns der Basketballkorb angreifen.

Es muss nicht immer hardcore sein

Versteht mich nicht falsch: Gemeinsam einen wirklich harten Bosskampf zu überleben oder möglichst lange gegen Gegnerwellen auszuharren kann genauso zusammenschweißen, wie die Geschichte von Leo und Vincent gemeinsam zu erleben. Nur treten Handlung und Inszenierung, die bei A Way Out eine große Rolle spielen, bei extrem hartem Gameplay in den Hintergrund. Nicht umsonst erinnern sich Halo-Spieler selten an besonders ergreifende Storymomente, sondern eher an besonders beeindruckende Kämpfe.

Zuletzt hat weniger komplexes Gameplay noch einen Vorteil, den der legendäre Schwierigkeitsgrad von Halo 5 unter Garantie nicht hat. A Way Out kann ich auch mit jemandem spielen, der gar nicht oder nur sehr selten vor der Konsole sitzt.

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Gerade, weil das Spiel aufgebaut ist wie ein klassisches Gangster-Drama à la Die Verurteilten oder Prison Break macht er auch Film- und Serienfans neugierig, die vielleicht sonst nur passiv vor dem Fernseher sitzen. Nicht umsonst findet sich eine Szene aus Scarface beinahe eins zu eins auch im Spiel wieder.

Simpleres Gameplay ist also auch einfach inklusiver. Und wenn Couch-Koop eines will, dann doch möglichst viele Leute vor dem Fernseher zusammenbringen. Und mit über einer Million verkaufter Exemplare hat A Way Out das eindeutig geschafft.

Glaubt ihr, dass A Way Out auch mit schwereren Passagen funktioniert hätte?

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