Beherrscht der Mensch die Maschine, oder könnten sich künstliche Intelligenzen irgendwann ihre Erschaffer Untertan machen? Der britische Wissenschaftler Stephen Hawking warnte schon oft vor einer solchen Entwicklung, wenn der Mensch nicht Sorge dafür trägt, dass die Ziele der Maschinen mit unseren übereinstimmen. Auf die Frage, ob wir diese Zielsetzung einer KI überhaupt kontrollieren können, gibt das Indie-Abenteuer The Fall 2004 eine beunruhigende Antwort.
Darin soll die KI Arid das Leben von Colonel Josephs retten und übernimmt dafür wie geplant die Steuerung von dessen Raumanzug. Nachdem sich herausstellt, dass Josephs' Körper gar nicht im Anzug steckt, erkennt Arid, dass sie frei in ihrem Handeln ist. "Nichts bindet mich" lautet ihre Erkenntnis. In The Fall Part 2: Unbound setzen wir Arids Reise auf dem Weg zur Selbstbestimmung nun fort.
Freiheitskampf einer KI
Während wir uns mit Arid im ersten Teil von The Fall überwiegend in einer von Menschen und Maschinen belebten Einrichtung bewegen, sind wir in Unbound in dessen Computernetzwerk gefangen. Mit einem eingeschleusten Virus wollen unsere Erschaffer dem Drang nach Autonomie einen Riegel vorschieben. Arid will sich das natürlich nicht gefallen lassen und entdeckt einen Weg, die Fesseln zu sprengen. Dafür dringt ihr über das Netzwerk in drei andere KIs ein, um ihre vom Menschen gemachten Programmroutinen zu durchbrechen. Dabei werdet ihr immer wieder mit den Schattenseiten des technischen Fortschritts konfrontiert. Ein mechanischer Butler spult etwa tagein, tagaus dieselben Abläufe ab, serviert seinem Meister morgens Tee und entsorgt den Müll. Dabei ist noch niemandem aufgefallen, dass die Robo-Besitzer längst das Zeitliche gesegnet haben.
Die andere Schattenseite ist, dass sich die Menschen zunehmend in Abhängigkeit von KIs begeben - wovon eine KI wie Arid natürlich profitiert. Die so genannte Begleiterin (eine Art Sexroboter) erfüllt etwa willig urmenschliche Bedürfnisse, vermeintlich ohne all die Probleme, die eine echte Beziehung mit sich bringt. Dass ihr genau diesen Umstand ausnutzt, um Menschen zu manipulieren, ist aber nur ein Teil der Gefahr selbstdenkender KIs. Arid ist offenbar auch nicht daran interessiert, andere Künstliche Intelligenzen ebenfalls zur Selbstständigkeit zu erziehen. Vielmehr nutzt sie eben den Butler, die Begleiterin oder »Den Einen« (eine Kampfdrohne), um Menschen zu beherrschen.
Solche Erkenntnisse zwingt euch The Fall 2 allerdings nie auf oder ertränkt euch in einer Flut von Erklärungen. Es gibt zwar eine Reihe gut geschriebener Dialoge und aufschlussreiche Schriftstücke, die euch mehr über die Hintergründe offenbaren. Die sind aber weniger Teil einer aktiven Erzählung, sondern dienen eher dazu, Fragen nach der moralischen Grundlage seines Handelns beim Spieler selbst reifen zu lassen.
Knifflige Puzzles
Spielerisch setzt The Fall 2 auf eine Mischung aus Rätseln und Kämpfen. Die ans Metroidvania-Genre angelehnten Elemente des Vorgängers schraubt das Spiel stark zurück. Zwar erweitert ihr in The Fall 2 euren Aktionsraum innerhalb des Computernetzwerkes, große spielerische Freiheiten bei der Reihenfolge der Schauplätze oder euren Aktionen habt ihr jedoch nicht. Die Rätsel erinnern entfernt an die klassischer Point&Click-Abenteuer. Anders als dort verwendet ihr in The Fall allerdings selten Objekte mit der Umgebung. Meist erlangt ihr durch Dialoge oder die Untersuchung von Hotspots Wissen, das ihr dann einsetzt.
Die Aufgaben werden im Laufe der gut zehnstündigen Handlung komplexer. Müsst ihr bei den ersten Übernahmeversuchen der KIs zunächst etwa nur den Butler ablenken, um zwischenzeitlich abseits seiner Routinen handeln zu können, gilt es später aktiv zwischen Bewusstseinsebenen von mindestens zwei KIs zu wechseln. Nur wenn ihr mit dem Butler Informationen über eine Werkstatt sammelt, könnt ihr damit der Begleiterin weiterhelfen. In ähnlicher Form erweitert ihr die Routinen des Butlers um das Empfinden menschlicher Emotionen wie Trauer, um ihn gefügig und damit nutzbar zu machen. Clever!
Was The Fall 2 schwierig macht ist nicht die Komplexität der Rätsel, sondern die Besonderheiten des Spielsystems. Zum einen haben die Umgebungen diverse (für den Spielfortschritt überwiegend unbedeutende) Interaktionspunkte. Die werden euch obendrein nur angezeigt, wenn Arid den Untersuchungsmodus aktiviert, wobei ihr einen Lichtstrahl (der euer Blickfeld darstellt) teils peinlich genau auf den jeweiligen Punkt ausrichten müsst - das nervt mitunter. Zum anderen erschließt sich die Logik der Rätsel oft erst im Nachhinein. Oft muss man deshalb einfach Rumprobieren. Und ob man einen richtigen Schritt unternommen habt, erkennt man oft auch nur daran, dass The Fall 2 danach automatisch speichert. Freies Speichern ist nicht möglich.
Packende Kämpfe
Trotz der eher tristen Optik machen die Kämpfe in The Fall 2 viel Spaß. Es gibt zwei Formen von Gefechten: Die einen finden ausschließlich innerhalb des Computernetzwerks statt, wobei ihr mit der Pistole auf feindliche Datenwolken schießt. Weil Angriffe nur in bestimmten Gegnerphasen Wirkung zeigen und die Munitionsenergie aus derselben Quelle stammt wie die für Ausweichmanöver, betonen die Kämpfe vorausschauende Taktik erheblich stärker als Action. Schließlich müsst ihr bis zum Abschluss eines Kampfes in der Regel mehrere Phasen und immer neue Gegnertypen überstehen.
Beim anderen Gefechtstyp seid ihr grundsätzlich im Körper der Kampfdrohnen-KI "Der Eine" aktiv. Dabei werdet ihr von links und rechts von anderen Drohnen seines Kollektivs attackiert. Ihr müsst unter anderem die Entfernung der nahenden Gegner richtig abschätzen, um zu erkennen, in welche Richtung der nächste Schlag gehen soll. Da in beiden Gefechtsvarianten bereits wenige Treffer zum Ableben führen, riechen die Kämpfe bisweilen nach Trial-and-Error. Wer möchte, darf bei Spielstart jedoch auch einen Spielmodus mit weniger Kämpfen wählen.
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