Eine Stadt, die nicht mehr ist als ein weißer Fleck auf der Landkarte? Ihr mögt an Bielefeld denken, im Japano-Rollenspiel Lost Sphear geht es allerdings um das Verschwinden von Elgarth. Das Dorf der Waisenkinder Kanata, Lumina und Locke ist aber nur der erste Ort im Reich des Imperiums, der auf einmal wie vom Erdboden verschluckt wird. Wie der Zufall es will, erhält Kanata die besondere Gabe, die verlorenen Bestandteile mit gesammelten Erinnerungen wiederherzustellen. Bis zur Rettung der verschwundenen Städte ist es aber ein steiniger Weg, gesäumt von falschen Verbündeten, Intrigen, aber auch Freundschaft - und Mech-Anzügen! Wir verraten, weshalb uns das neue Werk der Tokyo RPG Factory besser gefallen hat als der inoffizielle Vorgänger I am Setsuna.
Stilvoll-atmosphärisch
Frei von langatmiger Erzählweise und klischeehaften Charakteren ist die Geschichte von Lost Sphear nicht. Das Spiel führt allerdings stringenter in die Handlung als andere Vertreter des Genres und sorgt rasch für eine heimelige Abenteuer-Atmosphäre. Das verdankt Lost Sphear besonders seinen Helden, dem übermotivierten und tollpatschigen Locke genauso wie der selbstbewussten Diva Lumina.
Der kindgerechte, aber niemals weichgespülte Humor tut das Übrige, damit wir der Story mit Interesse folgen. Vorhersehbar sind manche Wendungen, wenn sich Verbündete plötzlich als Feinde erweisen oder Widersacher doch wieder auf den Pfad der Tugend zurückgeführt werden. Dem Unterhaltungswert tut das jedoch keinen Abbruch.
Kreative Ideen sorgen zudem für Abwechslung. In einem Dorf wiederholt sich immer wieder derselbe Tag. Blöd nur, dass die Brücke über den Fluss erst morgen repariert sein wird. Immer wieder werden Fragen aufgeworfen, deren Antworten mit dem Kern der Handlung zusammenhängen. Von Beginn an ist klar, dass der Mond bei den verlorenen Teilen der Welt eine Rolle spielt. Wie genau diese Rolle aussieht und wer sonst noch alles seine Hände im Spiel hat, erfahren wir erst später auf der gut 25 Stunden langen Reise.
Stimmung kommt in Lost Sphear besonders auch dank der hübschen, effekreichen Zeichengrafik und den putzigen Animationen auf. Die Szenerie wird gekonnt von mal heroischen, mal düster-blemmender Musik untermalt. Ein Wermutstropfen ist die fehlende Sprachausgabe. Anders als in I am Setsuna hat Publisher Square Enix diesmal immerhin eine deutsche Textübersetzung spendiert.
Chrono Trigger lässt grüßen
Lost Sphear ist keine Fortsetzung von I am Setsuna, weist jedoch zahlreiche Parallelen dazu auf. Mit eurer bis zu vierköpfigen Party (im Vorgänger waren es nur drei) durchstreift ihr linear angeordnete Gebiete. Zufallskämpfe gibt es nicht, in der alles verbindenden Oberwelt trefft ihr erst gar nicht auf Gegner. Kämpfe sind jedoch keine Mangelware, sie finden in den zahlreichen Levels (Dungeons, Wälder, Dörfer etc.) statt.
Zumeist startet ihr die Begegnungen manuell, indem ihr euch den Feinden annähert. Sobald der Kampf gestartet ist, positionieren sich Freund und Feind automatisch auf dem Kampffeld und das Spiel wechselt in den Active-Time-Battle-Modus, ähnlich wie in Chrono Trigger. Jeder Beteiligte erhält also einen Zeitbalken, der die Kampfreihenfolge festlegt. Pro Runde wählt ihr einen physischen Angriff, Magie (sogenannte Skills) oder ein Verbrauchsobjekte wie einen Heiltrank.
Frei bewegen könnt ihr euch auf dem Schlachtfeld nur bei einem physischen Angriff. Stellt ihr es clever an, wählt ihr die Angriffsposition so, dass nicht gleich mehrere Helden von einem feindlichen Flächenangriff getroffen werden können. Position und gewähltes Ziel sind auch bei den Fernkämpfern von Bedeutung. Bringt ihr bei Dolchwerfer Locke andere Gegner in die Schusslinie, könnt ihr gleich mehrere Ziele zugleich attackieren.
Vor allem die vielfältigen Gegnertypen erfordern ein taktisch cleveres Vorgehen. Feinde, die sich vermehren, wenn ihr sie nicht rechtzeitig ausschaltet oder die ihre Verbündeten mit Stärkungseffekten versehen, sind nur zwei Elemente, mit denen Lost Sphear erfolgreich Routineabläufen vorbeugt.
Schwieriger und transparenter
Während der Kämpfe dürft ihr jederzeit auf Knopfdruck in den Pausenmodus wechseln, um eure Aktionen zu planen. Nur dort erhaltet ihr konkrete Infos über den Zustand der Recken, die exakte Zahl der verbliebenen Trefferpunkte oder Details zu Statuseffekten. Eine klare Verbesserung zu I am Setsuna, wo es oft ein Rätsel war, wie viele Runden einer unserer Helden beispielsweise verlangsamt ist. Völlig durchsichtig sind das System und die verschachtelte Menüstruktur allerdings nicht. Genre-Einsteiger können sich schnell verloren vorkommen.
Beim Speichersystem wären ebenfalls Verbesserungen möglich gewesen. Neben festen Speicherpunkten gibt es auch eine Schnellspeicherfunktion. Eine zusätzliche automatische Speicherung hätte potenziell frustrierenden Situationen aber besser vorgebeugt. Mängel zeigt auch die Spielbalance. Ein paar Bosse sind erheblich schwieriger als die meisten anderen. Oft nutzen sie nach dem Zufallsprinzip ihre Fähigkeiten und lassen uns dabei manchmal keine Chance. Da man jederzeit zwischen drei Schwierigkeitsgraden wählen kann, ist vom Einsteiger bis zum Profi aber für jeden was dabei.
Spiritnit statt Charakterbaum
In Lost Sphear verbessert ihr die Helden durch Stufenaufstiege im Kampf, die Trefferpunkte und Mana erhöhen. Anders als in I am Setsuna profitiert davon der gesamte Heldenpool, nicht nur die aktive Party. Die wesentlichen Verbesserungen erzielt ihr aber durch neue Waffen und Rüstungen, die ihr zusätzlich sockeln könnt. Bei den Skills wiederum kommen die Spiritnite-Objekte zum Einsatz. Welche davon ihr nutzen könnt, hängt stark vom Helden ab. Obaro ist etwa ein typischer Magier, der mit Feuer oder Wasser magische Flächenzauber wirkt. Sherra hingegen fällt eine Unterstützungsrolle zu. Sie kann magisch Verbündete heilen, ihnen Buffs wie Tarnung verleihen oder Gegner bezirzen, damit sie zwischenzeitlich auf unserer Seite kämpfen.
Mithilfe der Setsuna-Spiritnite verpasst ihr den Skills zudem einen individuellen Bonus. Zusätzlicher Giftschaden, eine Chance auf Energieentzug oder eine verlangsamte Wiederaufladung der Zeitleiste des Gegners - es gibt zahlreiche Optionen. Diese Bonuseffekte verbessert ihr im Rahmen der Sublimierung. Das funktioniert nach dem Learning-by-doing-Prinzip durch erfolgreiche Angriffe. Diese Boni stehen euch jedoch nur bei einem Setsuna-Angriff zur Verfügung. Den aktiviert ihr im Rahmen eines richtig getimten Knopfdrucks, wenn ihr einen dafür notwendigen Aktionspunkt habt.
Einfluss auf die Chancen im Kampf haben auch die Relikte, die ihr in der Welt errichtet. Die erhöhen etwa die Chance auf kritische Treffer, allerdings auf Kosten der physischen Abwehr. Entscheidend ist, diese Effekte abhängig von den Gegnern ein- oder auszuschalten. Zudem gibt es die Vulcosuits, die nichts anderes als Mechs sind. In denen setzt ihr ausschließlich Skills ein, später aber weitere Spezialtattacken namens Paradigmen. Die umfassen auch Angriffskombis und Koop-Attacken. Übermächtig werden diese Mittel aber nie, da der Vorrat an speziell dafür gedachten Aktionspunkte begrenzt ist. Wer angesichts all dieser Kampffeinheiten jetzt verwirrt ist - zu recht! Denn Lost Sphear führt nicht besonders gut in die Systeme ein, viel muss man sich selber zusammenpuzzeln. Das sollte euch allerdings nicht daran hindern, die verlorene Welt zu retten.
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