Wir wollen lieber nicht über The Witcher 3: Wild Hunt sprechen. Sonst müssten wir sie erzählen, all die großartigen Geschichten, die wir im Test erlebt haben. All die denkwürdigen Momente, all die Lacher, Wendungen und Schicksalsschläge. Zum Beispiel die Sache mit der verfluchten Adelstochter und den Ratten. Oder die Entscheidung, die wir treffen mussten, nachdem wir einen Werwolf von seinem Fluch befreit hatten.
Wir müssten erzählen vom Scherzanruf in Frauenkleidern! Von Ronwid vom Sümpfle und der Jungfer Heidelbeer! Vom Geheimnis des blutigen Barons! Vom sich selbst teleportierenden Zauberturm! Vom Baby des Jarls! Von CSI Novigrad und Sherlock von Riva! Und natürlich von der Leuchtturm-Szene, du liebe Zeit, was haben wir gelacht!
Wir müssten so vieles erzählen, wollen so vieles erzählen. Denn The Witcher 3 steckt voll mal großer, mal kleiner Geschichten, es packt uns, reißt uns mit, das ist die herausragende Stärke des Rollenspiels. Nur … wenn wir davon im Detail berichteten, bliebe ja der Spaß auf der Strecke. Ein schöner Moment ist am schönsten, wenn man ihn sich selbst erspielt hat. Daher legen wir uns den Spoilerknebel an und versuchen, im Folgenden möglichst wenig von der Haupthandlung und sonstigen Überraschungen zu verraten. Zumindest keine, die der Entwickler CD Projekt nicht sowieso schon verraten hat.
Sprechen müssen wir über Witcher 3 natürlich trotzdem, dies ist schließlich ein Testartikel, in dem wir auch darauf eingehen werden, was das dritte Hexer-Rollenspiel nicht so gut macht. Denn perfekt ist es nicht. Oh, und ein kleiner Spoiler muss noch erlaubt sein, nämlich zu unserem Fazit: Wir finden The Witcher 3 dennoch fantastisch. Und wer nicht alle Gründe dafür wissen will, soll bitte einfach den letzten Absatz dieses Artikels lesen.
PlayStation 4: Technik und Bugs
Auf der PlayStation 4 läuft The Witcher 3 in 1080p und mit 30 fps - die Framerate macht sich vor allem bei schnellen Galopps und flotten (Faust-)Kämpfen bemerkbar, in denen das Spiel minimal hakelt. Aber wirklich nur minimal, Witcher läuft auf der PS4 weitgehend rund und sieht noch dazu überraschend gut (genauer: verdammt schön!) aus, wenn auch natürlich nicht ganz so schick und kantengeglättet wie in den vorab gezeigten PC-Präsentationen. Manchmal bricht die Framerate zudem spürbar ein, vor allem, wenn viele volumetrische Effekte zu sehen sind (Rauch, Dampf). Das geschieht beispielsweise im Dampfbad von Novigrad sowie in den klasse inszenierten Gefechten des letzten Spieldrittels.
Auch die Ladezeiten sind lang, wir starren schon mal 40 Sekunden auf den Ladebalken. Außerdem ploppen Gegenstände und sogar Charaktere unschön auf, manchmal sogar erst extrem spät. So kann es sein, dass wir mit dem Hexer eine Taverne betreten, die zunächst fast menschenleer ist. Erst nach und nach werden dann die einzelnen Personen nachgeladen und erscheinen in der Spielwelt. Auch mitten im Gespräch lädt das Spiel manchmal nach. Weil diese Technikschwächen der Atmosphäre und der Bedienbarkeit schaden, ziehen wir der PS4-Version von The Witcher 3 einen Punkt ab.
Außerdem stolperten wir regelmäßig über kleinere Bugs wie schwebende Charaktere, Pflanzen und Gegenstände. In einem derart riesigen Open-World-Spiel sind solche Platzierungsfehler aber zumindest verschmerzbarer als in einem Schlauchlevel-Shooter. In über 80 Spielstunden stürzte Witcher darüber hinaus zweimal ab, dank der regelmäßigen Autosaves war das aber kein großes Problem. Für die Bugs werten wir daher nicht gesondert ab.
Xbox One: Technik und Bugs
The Witcher 3 ist auf der Xbox One keineswegs hässlich, im Gegenteil: Es ist sogar sehr schön! Dennoch entpuppt sich die One-Version als technisch schwächste, die Detailsichtweite ist geringer als auf der PS4, außerdem läuft sie streckenweise nur in 900p. Deshalb geben wir der Xbox-Fassung einen Punkt weniger als der PS4-Version von The Witcher 3.
Die weiteren Unterschiede zur PlayStation 4 (und erst recht dem PC) sind zwar nicht dramatisch, aber nervig. Gleich nach dem Spielstart fällt auf: Die Zwischensequenzen laufen nicht absolut flüssig, immer wieder stören mikroskopische Ruckler die Optik. Diese Verzögerungen wachsen sich bei späteren, dynamischeren Zwischensequenzen - etwa mit dem Greifen - zu richtigen Standbildern aus. Die dauern zwar auch nur Sekundenbruchteile, doch selbst das ist für eine Cutscene zu viel, die auf jeden Fall flüssig laufen sollte.
Schuld an am Filmgeruckel ist vermutlich die dynamische Skalierung von The Witcher 3. Die verändert die Auflösung je nach Grafiklast ständig zwischen 900p und 1080p und versucht dabei, konstant 30 Bilder pro Sekunde zu halten. Offenbar funktioniert diese Technik in den Zwischensequenzen jedoch nicht einwandfrei.
Große Sorge: Wenn auf der Xbox One schon die Videos ruckeln, wie sieht es dann erst mit der eigentlichen Action aus? Hier können wir Entwarnung geben, im eigentlichen Spielgeschehen leistet die dynamische Skalierung ganze Arbeit. Zwar tauchen auch hier beim schnellen Reiten oder in vollen Tavernen vereinzelt Verzögerungen auf. Aber wenn Geralt sein Schwert zückt, ist davon nichts mehr zu sehen und man kämpft in konstanten 30 Bildern pro Sekunde.
Ansonsten ist die Xbox One-Fassung grafisch nahezu identisch mit der PS4-Version: Auch hier gibt es tolle Lichteffekte, unzählige Kleinigkeiten in Häusern und Landschaft sowie detaillierte Charaktere. Wobei wir bei letzteren den Eindruck hatten, als würden Metallteile an der Kleidung (Knöpfe etc.) weniger stark glänzen als auf der PlayStation 4. Texturen und Charaktermodelle sind auf beiden Systemen weitgehend gleichwertig.
Wie auf der PS4 kommt es auch auf der Xbox zu hässlichen »Pop-Ins«, also sehr plötzlich auftauchenden Umgebungsdetails und Charakteren. Auch hier kommt es regelmäßig vor, dass wir einen leeren Raum betreten, in den dann erst nach und nach die Personen reingeladen werden. Die Ladezeiten sind auf beiden Konsolen ungefähr gleich lang - also mit 30 bis 40 Sekunden sehr lang. Schwebende und falsch platzierte Gegenstände und Personen traten auch hier auf.
Weil die technischen Probleme ungefähr auf demselben Niveau sind wie bei der PS4, ziehen wir die Xbox-One-Version wie dieser einen weiteren Punkt in der Gesamtwertung ab. Schließlich wollen wir beide Plattformen gleich behandeln.
Geralt von … wer?
Wie seine Vorgänger steckt uns The Witcher 3 in die Lederkluft (oder, späterer Ausrüstungsbeute sei Dank, die leichte Plattenrüstung) des Geralt von Riva, seines Zeichens Hexer, also Angehöriger eines Clans mutierter Bestienjäger. Mit seinem Silberschwert vertrimmt Geralt übernatürliche Monster, mit seiner Stahlklinge menschliche, die manchmal sogar die schlimmeren sind. Und warum macht er das? Weil er seine alte Liebe, die Zauberin Yennefer, und seine Adoptivtochter Ciri sucht.
Yennefer? Ciri? Wer die beiden Vorgänger nicht gespielt hat, zuckt da erst mal mit den Schultern. Wer sie gespielt hat, womöglich auch. Denn beide Charaktere kennt man vor allem aus den Hexer-Romanen des polnischen Fantasy-Autors Andrzej Sapkowski, auf denen die Witcher-Reihe basiert. The Witcher 3 bezieht sich generell wesentlich öfter auf die Bücher als seine Vorgänger. Häufig werden Ereignisse erwähnt und Charaktere eingeführt, die Buchfans wohlige Wiedersehensschauer bescheren, Sapkowski-Verweigerer aber entweder kalt lassen - oder sogar mal mild, mal kräftig spoilern und Überraschungen verraten. Zumindest Spielern, die die Romane noch lesen wollten.
The Witcher 3: Wild Hunt - Screenshots ansehen
Für alle, die das Hexer-Universum nicht in- und auswendig kennen, erklärt The Witcher 3 im guten Glossar die Vorgeschichten aller wichtigen Charaktere, und was sie mit Geralt verbindet. So kapieren auch Neulinge schnell, welche Rechnung der redanische Geheimdienstchef mit dem Hexer offen hat, und woher Geralt den Doppler Dudu kennt. Und was ein Doppler ist.
Und natürlich, was es mit der Wilden Jagd auf sich hat, jener mordbrennenden Geistertruppe, der The Witcher 3 seinen Untertitel Wild Hunt verdankt und die Yennefer sowie Ciri zu jagen scheint. Geralts Geliebte und seine Ziehtochter stellt The Witcher 3 übrigens gleich zum Beginn in einer Traumsequenz vor, gemeinsam mit Geralt absolviert die junge Ciri ihr Training auf der Hexerburg Kaer Morhen. So etabliert die Passage nicht nur die zentralen Figuren, sondern dient auch als Tutorial. Danach kann die Suche losgehen, und mit ihr ein Abenteuer, das locker 50 Stunden dauert. Oder 60. Oder 80. Oder noch mehr.
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Eine Story mit Charakter(en)
Also gut: Man kann die Story von The Witcher 3 in 20 bis 25 Stunden abschließen. Wenn man alle nicht unbedingt notwendigen Aufträge links liegen lässt, Dialoge abbricht und generell durchs Spiel hetzt wie ein Rennpferd mit brennendem Schweif. Nur: Warum zur Hölle sollte man? Wer eine Geschichte nicht schnell genug abschließen kann, soll die einschlägigen Shooter spielen. The Witcher 3 lebt davon, dass man sich ablenken lässt, vom Hauptpfad abkommt, erforscht, erlebt, erkundet, auf die Spielwelt einlässt. Und wer Dialoge überspringt, hat an dieser Stelle sowieso seine Weiterleseberechtigung verwirkt.
Denn die Gespräche sind nicht nur erstklassig geschrieben und vertont (ja, auch auf Deutsch), sondern auch überaus aufschlussreich. Fast immer können wir dank optionaler Fragen mehr über die Hintergründe unseres Gegenübers oder die Hexer-Welt im Allgemeinen herausfinden. Das wäre nicht nötig, um der Story zu folgen, offenbart aber eine Liebe zum Detail, wie sie heutzutage nur wenige Entwickler an den Tag legen. Und Letzteres gilt nicht nur für die Dialogopionen.
Bleiben wir jedoch vorerst bei der Haupthandlung. Denn die ist nicht gut. Sie ist großartig. Auch, weil The Witcher 3 seine Charaktere ernst nimmt und konsequent sowie glaubwürdig zeichnet. Von Geralts Alternativmätresse Triss (Yennefer ist nicht die einzige attraktive Zauberin …) über seine alten Kumpels Zoltan und Rittersporn bis zum Kaiser von Nilfgaard höchstpersönlich - wir haben es hier nicht mit gesichtslosen Plapperpuppen zu tun, sondern mit Persönlichkeiten, die wir mal gut leiden können, mal … weniger gut. Und wenn jemand doch mal anders handelt, als wir's erwartet hätten, dann hat Geralt garantiert einen zynischen Spruch parat (»Ich wusste gar nicht, dass du ein Herz hast«).
Generell legt The Witcher 3 viel mehr Wert auf Gespräche und Charaktere als auf Bombast. Anders als beispielsweise in Dragon Age: Inquisition regiert im Hexer-Abenteuer nicht ständig das Spektakel, hier klafft kein dämonenspuckender Riss am Himmel, kreisen keine feuerspuckenden Drachen, marschieren keine Belagerungsheere auf. Im Prolog explodiert nicht mal etwas, wir jagen lediglich einen Greifen. Ja, größtenteils geht es in The Witcher 3 ruhiger, persönlicher zu. Aber deshalb nicht weniger packend.
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