Jotun im Test - Eine faszinierende Wanderung durch die nordische Mythologie

Jotun erzählt die Geschichte von Thora, der wir zu ihrem verdienten Platz in Walhall verhelfen sollen. Doch das Schicksal der Kriegerin entpuppt sich als Vorwand, uns auf eine faszinierende Wanderung durch die nordische Mythologie mitzunehmen, die Dom trotz spielerischer Mängel beeindruckt hat.

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Die nordische Mythologie hatte für ihre mutigsten Krieger einen ganz besonderen Platz vorbereitet: Walhall, das Haus der Gefallenen, begrüßt die auserwählten Männer und Frauen, die in einer Schlacht ihr Leben gegeben und sich so einen Platz an diesem sagenumwobenen Ort verdient haben. 540 Tore sollen in die gigantische Festhalle führen, in denen sich tagsüber die Toten im Zweikampf messen und abends schließlich ein riesiges Bankett abhalten.

Thora, eine kräftige Kriegerin, hatte sich durch ihren Mut und ihre Entschlossenheit bereits einen Platz an der Festtafel verdient, doch während einer Überfahrt kenterte ihr Schiff und sie ertrank. Ein unrühmlicher Tod, der ihr den Einzug nach Walhall verwehren sollte, aber sie bekommt von den Göttern persönlich eine letzte Chance: Fünf Elementgiganten, Jotun genannt, muss sie besiegen, um Odin & Co. zu beeindrucken und trotz allem ruhmreich in das Haus der Gefallenen einziehen zu dürfen — und hier beginnt ein Abenteuer, das sicherlich nicht rundum gelungen, aber allemal beeindruckend ist.

Ein Spiel mit Perspektive

Das Spielprinzip von Jotun klingt auf dem Papier denkbar einfach: Ausgehend von einer riesigen Plattform führen fünf Wege zu unterschiedlichen Leveln, die ihre ganz eigenen Charakteristika haben und sich dabei an den Naturelementen orientieren: Saftige Wiesen wechseln sich so beispielsweise mit dem klassischen Eislevel ab. Am Ende jedes dieser Areale wartet ein Jotun, ein mächtiger Endgegner, den wir besiegen müssen, bevor wir auf die Plattform zurückkehren und einen neuen Ort freischalten dürfen. Allerdings entscheidet das Spiel für uns, in welcher Reihenfolge wir die Areale bereisen, doch das ist nicht weiter tragisch: In jedem der Gebiete erlernen wir eine Götterkraft, die uns nach Aktivierung für kurze Zeit mit einer speziellen göttlichen Kraft ausstattet, die uns beispielsweise schneller oder stärker werden lässt. Die Entwickler von Thunder Lotus Games haben sich dabei spürbar Gedanken darüber gemacht, welcher Jotun mit welchen Fähigkeiten zu welchem Zeitpunkt besiegt werden kann. Hätten wir also freie Hand über die Reihenfolge der Areale, würden wir wohl oder übel in einer spielerischen Try & Error-Sackgasse landen. Und genau das hätte dem gelungenen Spielfluss von Jotun empfindlich geschadet, die aus diesem recht unspektakulärem Spielkonzept letztendlich ein beeindruckendes Abenteuer macht.

Von dieser Plattform aus starten wir unsere Abenteuer. Von dieser Plattform aus starten wir unsere Abenteuer.

Regelmäßig den Mund der Spieler erstaunt offenstehen zu lassen, gelingt Jotun vor allem über seine enorm ausdrucksstarke Bildsprache, die auf dem ständigen Spiel mit Größenverhältnissen und Perspektiven aufbaut. Während Thora durch Ruinen streift, über Wiesen spaziert oder gegen seltsame, fleischfressende Pflanzen kämpft, verharrt die Kamera meist in ihrer schräg angewinkelten Vogelperspektive. Doch steigen wir auf einen hohen Gipfel hinauf, verschiebt sich allmählich der zweidimensionale Hintergrund und gibt neue Ebenen frei, die zusätzlich Tiefe suggerieren. Dabei entfernt sich die Kamera immer weiter vom Geschehen und lässt Thora im Vergleich zu ihrer Umgebung kleiner und fast bedeutungslos erscheinen. Den gleichen perspektivischen Trick wendet Jotun in den Bosskämpfen gegen die fünf Naturgötter an — hier allerdings schlägt sich das Spiel ein wenig mit der eigenen Axt ins Bein. Doch lasst mich etwas weiter ausholen:

Die Giganten verfügen über verschiedene Angriffsmuster, die sich nicht so unberechenbar wie in der Welt von Dark Souls über euch hermachen, aber euch dennoch vor eine spielmechanische Herausforderung stellen. Jede eurer gesammelten Kräfte muss zum richtigen Zeitpunkt eingesetzt werden, eine falsche Bewegung führt zu einem fast absurd schnellen Verlust des Lebensbalkens. Immerhin ist die Steuerung von Thora denkbar einfach: Schwerer Schlag, leichter Schlag, Ausweichrolle – das war's.

Jeder der fünf Giganten ist einzigartig charakterisiert. Jeder der fünf Giganten ist einzigartig charakterisiert.

Übersicht spielt in diesen Kämpfen eine ganz entscheidende Rolle, um die hunderte Meter hohen Jotun und ihre Gefolgschaft besiegen zu können, doch ausgerechnet die Kamera macht uns hin wieder einen Strich durch die Rechnung — die bereits erwähnte Axt im eigenen Bein. Der Bildausschnitt zoomt immer wieder vom Geschehen weg und gibt uns damit zwar ein greifbares Gefühl für die Größe der Elementgegner, nimmt uns allerdings auch ein wenig die so dringend benötigte Sicht auf das Schlachtfeld. In den meisten Fällen kam ich dennoch gut zurecht, doch der ein oder andere frustrierende Tod wäre schon vermeidbar gewesen.

Viele Geschichten trotz weniger Worte

Dabei hätte eigentlich die Protagonistin Thora einen weitaus besseren Grund, frustriert zu sein. Immerhin wurde sie von einem instabilen Schiff um ihren verdienten Sitzplatz in Walhall betrogen, doch wirklich viel Murren hören wir von der Kriegerin nicht. Stattdessen dürfen wir regelmäßig einer tiefbrummigen männlichen Erzählerstimme lauschen, die - übrigens auf isländisch - bei unseren Aufeinandertreffen mit den Jotun ein paar Worte über deren Ursprung verliert und anschließend zu unseren Siegen gratuliert. Und auch Thora kommt hin und wieder zu Wort, allerdings nur als entrückte Kommentatorin aus dem Hintergrund, die spärliche Informationen über ihre Lebensgeschichte einstreut.

Ein beeindruckendes Spiel mit den Kulissen. Ein beeindruckendes Spiel mit den Kulissen.

Die Versuchung liegt nun nahe, dieses Beiseiteschieben der eigentlichen Geschichte, die uns an der Seite von Thora in diese Welt geschickt hat, als Schwäche entlarven zu wollen. Allerdings glaube ich, dass damit Jotun Unrecht getan werden würde. Dieses Spiel will uns auf einen Rundgang durch die nordische Mythologie führen und mit den handgezeichneten Wesen und Landschaften verzaubern. Thora erfüllt dabei nicht viel mehr als die Rolle eines Stellvertreters des Spielers, der in ihrem Körper die Spielwelt erkunden darf. Rückblickend fühlt sich Jotun wie mein eigenes Abenteuer an, nicht wie die verzweifelte Rettungsaktion, um einer toten Kriegerin doch noch nach Walhall zu verhelfen. Thora ist das Mittel zum Zweck und das Spiel streut nur so viele narrative Hintergrundfetzen wie nötig ein, um unseren eigenen Rundgang durch die nordische Mythologie möglichst ungestört ablaufen zu lassen. Die kaum präsente Geschichte der Heldin ist Kalkül und nicht etwa ein Versehen. Und dieses Kalkül ging für mich ganz wunderbar auf.

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