Nein, wir beginnen den Test zu Anno: Erschaffe ein Königreich für iOS nicht mit einem lahmen »Reif für die Insel«-Wortspiel oder ähnlichen Phrasen. Schließlich weiß jeder halbwegs Aufbau-interessierte PC-Spieler um die faszinierende Sogwirkung der Anno-Serie, in der man als Kolonist Insel um Insel mit ausgeklügelten Wirtschaftskreisläufen erschließt.
Das Spielkonzept von Anno ist eigentlich ideal für Tablets geeignet, die Bedienung per Finger funktioniert tatsächlich einigermaßen gut. Allerdings enttäuscht der Mobil-Ableger ohne Jahreszahl Fans der Serie mit seinem teils recht harschen Free2Play-Konzept.
Schaffe, schaffe, Häusle baue
Zunächst wirkt die Erkundung der ersten eigenen Insel vertraut: Zwar ist der Name der Insel fest vorgegeben, aber ansonsten scheinen wir wie in den PC-Vorbildern direkt loslegen zu können. Weit kommen wir allerdings nicht: Ein Tutorial in Form von Texteinblendungen leitet uns durch das Spiel. Neulinge können so zwar die Grundlagen Annos erlernen, wirklich nötig sind die den Spielfluss lähmenden Tipps allerdings nur für die dezente Indoktrination des spielenden Kunden: Unter anderem wird uns mit anfänglicher Gratis-Echtgeldwährung der Kauf virtueller Güter näher gebracht.
Haben wir uns aber erst einmal von den Schritt-für-Schritt-Anleitungen gelöst, wirkt die Expansion altvertraut: Wir bauen zum einen unsere Wohnsiedlung aus, indem wir einzelne Häuser setzen, Straßen ziehen und die Bedürfnisse der Siedler mit Spezialgebäuden und Gütern befriedigen. Zum anderen ziehen wir abseits der wachsenden Stadt Produktionsgebäude wie Fischereien oder Bäckereien hoch, damit es unserer Bevölkerung an nichts mangelt.
Bereits beim Bau erster Häuser zeigen sich jedoch die ersten Unzulänglichkeiten: Touchscreen-bedingt wählen wir oft falsche Gebäude aus bzw. bauen aus Versehen ein zweites. Auch aus einem anderen Grund ist das Errichten mehrerer Bauwerke in Folge eine Qual: Die Gebäudevorlage springt nach jedem Bau in eine Richtung und zwingt zu manuellem Nachjustieren.
Als die Tiere den Wald verließen
Wie aus den PC-Titeln bekannt haben alle Gebäude einen Wirkungsradius, innerhalb derer sie etwa Felder bewirtschaften, Bewohner eine Bierversorgung bieten oder Bäume fällen können. Kollidieren durch schlechte Stadtplanung die Wirkungsbereiche, so nimmt im Fall der Holzfäller deren Effektivität ab - und die Holzproduktion wird durch einen Mangel an Wald erschwert.
Verwunderlich: Während wir auf dem PC üblicherweise nachforsten können, nachdem wir einen Wald gerodet haben, fehlt die Option auf dem iPad. So werden wir gezwungen, neue Flächen unserer anfangs im Nebel liegenden Insel durch Ressourcen- und Zeiteinsatz zu erkunden - oder gegen Echtgeldwährung sofort aufzudecken. Den Bäumen ähnlich funktioniert auch die Fischerei: Nur an vorgesehenen Schwärmen kann eine zudem begrenze Zahl an Fischern effektiv auf Nahrungssuche gehen.
Immerhin dürfen wir Gebäude verschieben, wenn sie woanders besser platziert erscheinen. Das ist auch bitter nötig: Wir zahlen verhältnismäßig viele Ressourcen für die Errichtung von Häusern - und dürfen so bereits nach wenigen Bauvorhaben das iPad beiseitelegen oder Echtgeldwährung einsetzen. Ein Gefühl von Spielfluss und Motivation, das sich einstellen könnte, wird so im Keim erstickt.
Ein Beispiel ist die Produktionsgeschwindigkeit von Holzfällern: Die produzieren zwar im Minutentakt einzelne Holzstämme, dafür benötigen wir gleich 60 davon, um ein einzelnes Bauernhaus auf die zweite Stufe aufsteigen zu lassen. So wächst unsere Stadt selbst über Tage hinweg nur langsam, gerade wenn wir nicht ständig Zeit haben, um uns um unsere Insel zu kümmern.
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