Ich habe immer wieder den gleichen Traum: Ich stoße mich vom Boden ab und gleite meilenweit durch die Luft. Es ist mit das schönste Gefühl, das ich kenne. Der PlayStation-Network-Titel Journey lässt mich dieses Glück des Fliegens zum ersten Mal in einem Videospiel erleben, nur um mich wenig später in tiefste Verzweiflung zu stürzen. Und: Journey lässt mich Kommunikation in Spielen neu denken. All das in etwas mehr als zwei Stunden. Journey ist kurz, viel zu kurz -- aber es ist ein Meisterwerk.
Journey ist das dritte Spiel des kalifornischen Studios thatgamecompany, die zuvor die PSN-Titel flOw und Flower entwickelt haben – meditative Sammelspiele, deren Design über das sture Abhaken von Elementen in der Spielwelt (Fressen von Meeresgetier, Berühren von Blumen) nie hinausging.
In Journey geht thatgamecompany einen Schritt weiter. Zwar beginnt das Jump’n’Run-Abenteuer simpel, mit zunehmender Spieldauer kommen aber einige Spielelemente wie Stealth-Passagen hinzu, die Journey zwar nicht herausfordernder aber immerhin abwechslungsreicher machen als seine zwei Vorgänger. Doch worum geht es eigentlich in Journey?
Die Geschichte: Unklar
Wie der Name schon sagt, erzählt Journey die Geschichte einer Reise. Einer archetypischen Reise. Der Startpunkt: eine Wüste. Das Ziel: der Gipfel eines Berges. Der Reisende: ein in groben Stoff gehüllter Wanderer – ich. Wo der Reisende herkommt ist ebenso unbekannt wie die Verheißung, die ihn am Ziel seines Trips erwartet. Thatgamecompany verzichtet auf eine Erklärung der Mythologie hinter Journey, die auf versteckten Reliefen und in kurzen Zwischensequenzen angedeutet wird.
Das ist auch gut so. Mit jedem Neustart des Spiels – und Journey lädt dazu ein, wieder und wieder durchgespielt zu werden – formt sich die Geschichte des Reisenden in meinem Kopf neu. So groß die Versuchung ist, Journey philosophisch zu zerpflücken und über die angeschnittenen Themen wie Wiedergeburt, Solidarität und die »große Reise des Lebens« zu schwadronieren – Journey muss jeder Spieler für sich selbst erleben, seine Bedeutung für sich selbst herausfinden.
Der Multiplayer-Modus: Ungewöhnlich
Journey ist bei jedem Durchspielen anders. Nicht mittels zufallsgenerierter Levels oder neu verteilter Boni, sondern wegen dem Mitreisenden, dem ich bei meinen Wanderungen durch die Spielwelt zufällig begegne – oder auch nicht. Der Clou: Auch der andere Reisende wird von einem Menschen irgendwo auf der Welt gesteuert. Dessen Gamertag bleibt aber bis zum Ende des Spiels geheim, Sprach- oder Text-Chat gibt es nicht.
Die einzige Möglichkeit mit dem Mitspieler zu kommunizieren ist ein Ruf, den der Reisende abgeben kann. Was dieser bedeutet, entwickele ich im Zusammenspiel mit anderen Wanderern spontan. Mit dem ersten Spieler, dem ich etwa zur Hälfte des Spiels begegne, sieht die gemeinsame Sprache zum Beispiel so aus: Einmal rufen heißt »Komm mal her« oder »Sieh Dir das hier mal an«, zweimal rufen heißt »Ja« oder »Ok«. Beim zweiten Wanderer den ich treffe ist es genau umgekehrt.
Das gemeinsame Erarbeiten einer eigenen Sprache mit wildfremden Mitspielern ist faszinierend und erzeugt ein Gefühl von Verbundenheit und blindem Verständnis – vorausgesetzt natürlich, der andere Reisende spielt mit und ist nicht auf einem Ego-Trip durch die Spielwelt unterwegs. Denn auch das ist in Journey möglich: Ich möchte die Reise nicht zu zweit bestreiten? Kein Problem, dann lasse ich die andere Gestalt links liegen. So unsozial das klingen mag, auch das hämische Gefühl »Mit dir nicht, Freundchen« vermag Journey auszulösen.
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