Sea of Thieves polarisiert. Wer in den ersten Tagen nach Release des Piratenspiels für die Xbox One die einschlägigen Internetforen durchforstete, stieß einerseits auf überschwänglichen Jubel über aberwitzige Multiplayer-Erlebnisse und großes Lob für die eindrucksvolle Grafik. Andererseits mehrten sich aber schon nach kurzer Zeit auch kritische Stimmen, die sich lautstark über Content-Mangel und fehlenden spielerischen Tiefgang mokierten. Für unseren Test sind wir etliche Stunden übers virtuelle Meer geschippert und verstehen nur allzu gut, warum dieses Spiel spaltet.
Sea of Thieves wirft uns schnell ins kalte Salzwasser. Nachdem wir einen Piraten ausgewählt habt - leider gibt es nur vorgefertigte Figuren und keinen Editor - haben wir die Wahl, ob wir mit einer großen Crew von bis zu vier Personen oder einer kleineren Crew, respektive alleine losziehen wollen. Je nach Wahl dümpelt dann entweder eine kleine Schaluppe oder eine große Galeone am Steg unseres Start-Außenpostens. Hier wachen wir in einer Taverne auf und können ab sofort tun und lassen, was wir wollen. Eine Geschichte gibt es in Sea of Thieves ebenso wenig wie einführende Tutorials. Das ist natürlich Teil des Konzepts, funktioniert für alle Nichtkenner der zahlreichen Betas des Spiels aber nur semigut, weil insbesondere das Handling des Schiffs etwas Eingewöhnung erfordert. Zumindest optionale Hilfestellungen wären hier sinnvoll gewesen.
Eine Seefahrt, die ist lustig
Mit ein paar Gegenständen wie einer Schaufel, einem Kompass und einem Säbel ausgestattet, entlässt uns Sea of Thieves in seine gigantische Spielwelt mit über 60 Inseln, von denen viele allerdings auch nur wenig mehr als ein paar helle Sandbänke im Wasser sind. Per Schiff gelangen wir von Eiland zu Eiland, das Herumschippern gehört zu den großen Stärken des Piratenspiels. Nachdem wir erst einmal gelernt haben, mit Steuerrad und Segel (für Vollgas in den Wind drehen) umzugehen, ist es ein herrliches Gefühl, die Nase in den virtuellen Wind zu halten und dem Knarzen des Holzes beim Ritt über die Wellen zuzuhören - das ist fast schon ein meditatives Erlebnis.
Ein Erlebnis mit spielerischer Substanz, denn die Steuerung des Kahns fühlt sich tatsächlich einigermaßen realistisch an. Zumindest laut unserem segelerfahrenen Kollegen Johannes. Schade nur, dass während der häufigen und teils mehrere Minuten langen Fahrten so wenig passiert. Aus dem Wasser hüpfende Delfine oder ähnliche auflockernde Elemente sucht man vergebens, unter Wasser soll immerhin ein riesiger Krake lauern, den wir während unserer Testfahrten aber nicht zu Gesicht bekamen.
Ein Fest fürs Auge
Das ist übrigens keine Kritik an der Optik des Spiels. Im Gegenteil ist es geradezu unfassbar, welch immensen Schauwert Sea of Thieves hat. Auch nach etlichen Stunden sind wir fasziniert, wie realistisch animiert die virtuellen Wellen über den Ozean schwappen, kleine Schaumkronen auf ihren Spitzen tanzend, oder wie jeder einzelne Sonnenauf- oder Untergang die Szenerie in ein kitschiges karibisches Postkartenidyll verwandelt. Je nach Sonnenstand und Wetter wirkt auch die Farbe des Wassers anders, mal grünlich-bedrohlich, dann wieder einladend blau.
Überhaupt verbreitet der tolle Cel-Shading-Grafik-Stil eine fast schon urlaubsähnliche Atmosphäre, Sea of Thieves ist technisch - mal abgesehen von ein paar minimalen Rucklern- eine absolute Wucht und eines dieser Spiele, von denen man sich fast jeden Spielmoment eingefroren als Poster an die Wand hängen möchte.
Viel mehr als Schatzsuchen ist nicht
Das spielerische Gerüst erweist sich dagegen schon nach wenigen Stunden als maximal klappriges Gerippe mit stark repetitiven Elementen. Progression funktioniert in Sea of Thieves über insgesamt drei Fraktionen im Spiel, bei denen wir uns Aufträge abholen können. Die Goldsammler versorgen uns mit Schatzkarten, die zu verbuddelten Truhen führen, der Seelenorden lässt uns Skelettpiraten jagen, und für den Handelsbund bringen wir Waren von A nach B.
Die Orte der Aufträge sind immer klar definiert, entweder durch die Form der Insel oder den Namen auf der Karte. Später variieren die Aufgaben minimal (bei den Goldsammlern gibt es beispielsweise kleinere Rätsel), doch ihr könnt euch darauf einstellen, dass ihr immer und immer wieder dasselbe machen werdet, zumindest wenn ihr nur auf Auftragserfüllung aus seid. Gesammelte Beute ist erst dann sicher, wenn wir es an einem der Außenposten beim jeweiligen Auftraggeber verkauft haben.
Für das gehortete Gold statten wir unseren Piraten dann wiederum mit allerlei neuem Equipment oder Klamotten aus, wobei "neu" ein wenig übertrieben ist. Es handelt sich nämlich lediglich um etwas schickere und optisch modifizierte Versionen von Standardschaufel, -fernrohr und Co., die keinen spielerischen Vorteil bringen. Außerdem lässt sich der eigene Kahn beispielweise mit Galionsfiguren, neuen Segeln oder anderweitigem Schnickschnack ausstatten. Die Kosten dafür sind aber teils so absurd hoch, dass das Sparen für den neuen Buganstrich schnell in nervigem Grinding resultiert. Mikrotransaktionen sind bereits angekündigt, gut möglich also, dass man mit Echtgeldeinsatz dann diese Grinding-Zeit umgehen kann.
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