Seit mir mein Vater vor vielen, vielen Monden zum ersten mal Star Wars: Episode IV - Eine neue Hoffnung zeigte, verbinde ich die Weltraumsaga untrennbar mit surrenden Lichtschwertern, übermenschlichen Kräften und grünschnäbligen Jünglingen, die ihr trostloses Zuhause im eigenen Staub zurücklassen. Luke Skywalker und Rey sind nicht nur mächtige Jedi und die zentralen Figuren ihrer jeweiligen Star Wars-Trilogie, sondern verkörpern auch eben jene Grünschnäbel, die ich mit mindestens genauso großer Sehnsucht nach der weit, weit entfernten Galaxis auf ihrer Reise begleite.
Sowohl die ersten drei Episoden von George Lucas als auch J.J. Abrams Startschuss für die neue Trilogie, Star Wars: Episode 7 - Das Erwachen der Macht, entführen mich auf Weltraumabenteuer, die gleichermaßen romantisch und fantastisch sind: Sie erzählen Geschichten über Fernweh, der Frage nach der eigenen Herkunft und dem Glauben an eine bessere Welt. Gleichzeitig erklären sie ihre Protagonisten zu Trägern einer übernatürlichen Macht, die so komplex ist, dass sie nicht mal die ältesten Jedi-Meister gänzlich verstehen.
Mit Rogue One verzichtet Regisseur Gareth Edwards (Godzilla) hingegen auf all die Story-Elemente, mit denen ich Star Wars einst kennenlernte. Und eröffnet eine völlig neue Sicht auf das Star Wars-Universum, eine Seite, die wir bisher nicht kannten.
Linda Sprenger (@lindalomaniac)
Die Abenteuer von Luke Skywalker, Han Solo, Leia, Obi-Wan und (ja tatsächlich) auch Anakin begleiten Linda schon seit Grundschulzeiten. Ihre harte Star Wars-Phase hat sie aber bereits hinter sich: Als 2005 Star Wars: Episode III - Die Rache der Sith in die Kinos kam, war sie so begeistert vom Abschluss der Prequel-Trilogie, dass sie ihr Zimmer mit unzähligen Figuren schmückte und in Star Wars Battlefront nächtelang Schlachten nachspielte.
Auf dem Boden der Tatsachen
Als Star Wars: Episode 7 im vergangenen Jahr in die Kinos kam, waren sich die meisten Kritiker in einem Punkt einig: Abrams Sci-Fi-Fantasy-Streifen überzeugt zwar mit modernen und überaus sympathischen Hauptcharakteren, ahmt aber die Geschichte von Episode IV vielmehr nach, als dass er mit neuen Ideen begeistert.
Rogue One als erster von drei unabhängigen Anthology-Filmen schlägt hingegen ein ganz neues Kapitel auf. Eines, dessen Resultat zwar bereits seit Episode IV bekannt ist, nicht aber, welche Opfer dafür gebracht werden mussten. Anstatt die verträumten Töne eines fantasievollen Weltraummärchens anzuschlagen, schickt Edwards seine Hauptdarsteller auf's blutgetränkte Schlachtfeld. Rogue One ist ein Kriegsfilm. Brutal, schonungslos und vor allem: fast ganz ohne Fantasy.
(Anti-)Helden aus der zweiten Reihe
Rogue Ones Helden entwurzeln weder Bäume noch manipulieren sie schwache Gemüter mit der bloßen Kraft ihrer Gedanken. Jyn Erso, Cassian Andor und ihre Kameraden treten keine klassische Star Wars-Heldenreise an, die mit dem Ruf des galaktischen Abenteuers beginnt und mit der Vernichtung der Sith endet. Im Fokus stehen stattdessen die Rebellen, die sonst nur im Hintergrund wüten: Rogue One erzählt die Geschichte von tapferen Widerstandskämpfern, die all das aufgeben, was ihr Leben lebenswert machte.
Jyn, Cassian und ihre Gefährten haben nichts mehr zu verlieren, weil ihnen das Imperium bereits alles genommen hat. Es sindVerzweifelte, Verlassene und Betrogene, die ihre Kraft aus einem allerletzten Funken Hoffnung schöpfen, um als kleine Fußsoldaten der Rebellion nicht nur um die Pläne des Todessterns sondern auch um ihre Freiheit ringen- auch wenn sie vielleicht am Ende selbst nichts mehr davon haben.
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Zwar leisten sie mit ihrem Auftrag in erster Linie die Vorarbeit für Luke Skywalkers entscheidendes Manöver in der Schlacht von Yavin, nichtsdestotrotz gelang es Rogue One, mich emotional mitzureißen - aber ganz anders, als es George Lucas' erste drei Filme oder Episode 7 tun. Doch nicht nur die Inszenierung der zahlreichen Blastergefechte, die Edwards Standalone-Streifen bis zur allerletzten Minute auf die Leinwand feuert, entfachte ein grundverschiedene Star Wars-Gefühl, sondern auch an den Charakteren selbst: Während sich Luke oder Rey mit einer weißen Weste rühmen, stellt sich Jyn Erso als hartgesottene Verbrecherin vor, deren Lebenslauf eine Reihe beachtlicher Schandtaten enthält. Auch die Methoden Cassians, des zweiten zentralen Charakters des Films, spiegeln die rauen Zeiten des galaktischen Bürgerkriegs wider.
Sowohl er als auch Jyn sind Figuren mit Ecken und Kanten, die mehr mit ihren inneren Dämonen kämpfen, als dass sie sich über einen dunklen Lord erheben. Beide quälen sich mit den Nachwehen niederschmetternder Ereignisse aus ihrer Vergangenheit, wissen anfangs nicht, ob sie einander trauen können. Sie keifen sich an, arbeiten gegeneinander. Ihre Beziehung bildet den emotionalen Anker des Films, der aber schwerer wiegt als das heitere Zusammenspiel von Rey, Poe Dameron und Finn. Rogue Ones zentrale Figuren werden im Gegensatz zum gutherzigen Episode 7-Trio stets begleitet von einem Hauch von Trübsal, die mich seit dem anfänglichen herzzerreißenden Rückblick auf Jyns Kindheit bis zum Schluss nicht mehr loslassen wollte.
Eine neue Hoffnung
Rogue One ist Star Wars, wie ich es noch nie kennenlernen durfte. Die Crux des Films steckt bereits in seinem vollständigen Titel: Rogue One: A Star Wars Story. Die Story um Jyn, Cassian und ihre rebellischen Kameraden ist nur eine ganz kleine im großen Weltraumepos. Ihre Helden sind nur eine Handvoll von vielen Menschen, die sich ohne den Segen der Macht mutig in den Kampf gegen die imperiale Übermacht stürzen. Doch gerade deshalb ist Rogue Ones Geschichte packend.
Mit der Abwesenheit der Jedi vermittelt sie ein grundlegend anderes Star Wars-Feeling, das das Universum reichhaltiger erscheinen lässt, als es J.J. Abrams mit seiner wiederholten Geschichte eines Jedi-Jünglings im Kampf gegen das Imperium jemals gelang. Als erster Film der Reihe zeigt uns Rogue One eine Seite von Star Wars, die durch den Fantasy-Fokus der Hauptfilme bisher im Verborgenen geblieben ist: Es geht um Krieg mit zahlreichen Opfern. Und das ist hart, düster und am Ende trotzdem erhellend.
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