Resident Evil 7 - Die größte Schwäche des Spiels macht den VR-Modus so gut

Der Protagonist Ethan Winters bleibt in der Geschichte von Resident Evil 7 größtenteils blass. Aber genau das verschaffte Linda im VR-Modus ein so intensives Horrorerlebnis. Achtung es folgen leichte Spoiler!

Resident Evil 7 Resident Evil 7

Ethan Winters muss ein ganz schön harter Kerl sein, so gleichgültig wie er darauf reagiert, seiner Ehefrau gerade eine Axt in den Hals gejagt zu haben. Drei Jahre lang galt Mia als vermisst. Jetzt ist sie scheinbar tot. "Hmpf".

Auf erzählerischer Ebene scheitert die die Hauptfigur von Resident Evil 7 komplett. Nicht nur in der geschilderten Szene, sondern im gesamten Verlauf der Geschichte erscheint Ethan größtenteils blass. In Momenten, in denen viele die Fassung verlieren würden, reagiert er abgebrüht. In Momenten, in denen andere schreien würden wie am Spieß, bleibt er stumm. Wie eine Maschine nimmt Ethan die entsetzlichen Geschehnisse im Dulvey Haunted House einfach so hin.

Die Geschichte um das Geheimnis der Baker-Familie und ihrer Einordnung in den Resident Evil-Kontext fand ich zwar spannend, für den Helden interessierte ich mich im Laufe der Handlung allerdings nur wenig. Meine finale Spielerfahrung trübte die ausdruckslose Hauptfigur trotzdem nicht. Denn was mich während meines Standard-Durchlaufs noch störte, zog mich im VR-Modus dafür umso tiefer ins Spiel hinein.

Ein ganz normaler Typ mit erschreckend wenig Sorgen

Ethan war mir gleichgültig, weil er inkonsequent ist. Während wir uns in Resident Evil 5 und 6 durch Zombie-Horden schlagen, besinnt sich Resident Evil 7 wieder auf alte Serien-Stärken: Anstatt unsere Finger im Action-Gewitter zucken zu lassen, schickt uns das Spiel in das verfluchte Horror-Haus der mysteriösen wie abstoßenden Familie Baker. Ihnen gegenüber steht aber nicht Chris Redfield oder Leon S. Kennedy sondern Ethan Winters. Kein Soldat, sondern ein Jedermann, der in seiner Biografie weder Kampferfahrung noch Hunderte von Zombie-Kills verzeichnen kann.

Mia ist nicht mehr die, die sie vorher war. Mia ist nicht mehr die, die sie vorher war.

Im Laufe der Geschichte von Resident Evil 7 wird Ethan mit zahlreichen Schreckensszenarien konfrontiert, die er aber meistens so gelassen wegsteckt wie Jack Baker Messerhiebe und Pistolenkugeln. Hier ein Stöhnen, dort ein Keuchen, weiter geht's. Ist Ethan im Intro noch ganz normaler Typ, der nach seiner vermissten Frau sucht, verhält er sich nur kurze Zeit später wie ein R.P.D.-Veteran.

Sein Verhalten erschien mir nicht nur unglaubwürdig, sondern raubte mir im Standard-Modus auch die Spannung. Wenn Ethan doch so abgeklärt reagierte, warum sollte ich dann um sein persönliches Schicksal sorgen? Ja, ich war schockiert, als Mia sich plötzlich als Zähne fletschende Mutantin entpuppte. Wenn Ethan sie nach einem mitleidlosen Axtangriff dann aber so daliegen lässt wie ein unbedeutendes Stück Papier auf der Straße, nimmt das dem Moment jedoch seine emotionale Schwere. Ich hatte das Gefühl, eine leere Hülle durch die Gegend zu scheuchen, die zwar physisch verletzlich ist, aber darüber hinaus keine Menschlichkeit zeigt.

Als ich mir allerdings das PlayStation VR-Headset schnappte und in den VR-Modus wechselte, ergab der emotionslose Held für mich aber Sinn: Ethans Charakter ist leer, weil ich ihn selbst ausfüllen soll.

Linda Sprenger(@lindalomaniac):

Nachdem die Zombie-Action-Kracher Resident Evil 5 und Resident Evil 6 Linda zuletzt ziemlich enttäuschten, freute sie sich umso mehr auf den siebten Teil der Traditionsreihe. Der düstere Survival-Horror-Trip konnte sie letztendlich aber nur im VR-Modus vollständig überzeugen. Erst mit PlayStation VR entfaltet Resident Evil 7 das volle Potenzial, findet sie.

Perspektivwechsel

Ich trug das PlayStation VR-Headset ungefähr 30 Minuten, bis mir ein unerwartet schrilles "oh shit!" entglitt. Jack Baker erwischte mich im Flur hinterrücks mit einem Spaten. Mein Messer traf ihn wie eine Feder, Patronenkugeln wollte ich erst gar nicht verschwenden, weil sie ihn sowieso nichts anhaben konnten.

Ich drehte mich um und lief weg, aber im Spiel viel langsamer als es in der Realität wollte. In meiner Panik verschwamm das Haus zu einem undurchsichtigen Labyrinth. Mein verzweifelter Fluchtversuch endete in einer Sackgasse. Macht- und orientierungslos blickte ich in die Augen eines unaufhaltsamen Mutanten. Schweiß an den Fingern, kalte Stirn, Panik.

Das, was ich durchlebte, war furchterregend, markerschütternd und auf eine Gewisse Art und Weise ungemein beflügelnd. Dabei spielte ich die Sequenz nicht zum ersten Mal. Was mich ohne VR-Brille aber nur bedingt beeindruckte, erwischte mich in der virtuellen Realität mit ungeahnter Wirkung. Mein Zusammentreffen mit Baker fühlte sich echt an. Es schien, als müsse ich plötzlich um meine eigene Haut bangen.

Verstärkte Immersion

Es wäre sicherlich falsch zu behaupten, dass Resident Evil 7 nur in VR ein intensives Horrorerlebnis ermöglicht. Im Vergleich zu seinen Third-Person-Vorgängern ruft das Spiel ein grausiges Mittendrin-Gefühl hervor, da es uns in der Ego-Perspektive durch ein atmosphärisch dichtes Grusel-Haus jagt. Unserem Tobi reichte das ja schon, um in seinem Test an mehreren Stellen von seinen vollen Hosen zu berichten.

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Während Resident Evil 7 einen grundsätzlichen Eindruck des In-der-Welt-Seins erschafft, ermöglichte es mir der VR-Modus, fast komplett in die Spielwelt einzutauchen. Dass mir das Heim der Bakers mit seinen modrigen Wänden und lebendigen Schatten durch die VR-Brille überzeugend realistisch erschien, ist aber nur die einfachste Erklärung. Ausschlaggebender Grund für meinen hochgradig immersiven VR-Horror-Trip war meine komplett andere Wahrnehmung des Hauptcharakters.

Spielerin und Spielfigur zugleich

Im Standard-Modus waren der Held und ich nicht nur räumlich voneinander getrennt. Trotz Ego-Perspektive hielt ich eine gewisse Distanz zu Ethan aufrecht, eben weil ich mich nicht in ihn hineinfühlen konnte. Im VR-Modus hingegen war Ethan nicht länger nur irgendein Charakter, den ich aus sicherer Entfernung durch die verschiedenen Schauplätze auf dem Bildschirm jagte, während ich mich auf der Couch in Sicherheit wähnte. Von drei Dimensionen der Spielwelt verschlungen, rückte ich nun an den Platz meines Avatars.

Vereinzelte Lebenszeichen, etwa wenn er von Charakteren direkt angesprochen wird oder mit Zoe telefoniert, rissen mich zwar wieder aus meiner Rolle heraus. Bosskämpfe oder orientierungslose Erkundungstouren durch das Anwesen entwickelten in VR aber so einen starken Sog, dass ich Existenz des eigentlichen Protagonisten der Geschichte schnell wieder vergaß.

Hauptakteurin des Survival-Horrors

Es ist schon verrückt, wie sehr mir Resident Evil 7 im VR-Modus zusetzte. Nach meiner ersten Auseinandersetzung mit Jack Baker stolperte ich wie ein schreckhaftes Reh durch die Spielwelt. Jeder Schatten, den die VR-Brille in meinen Augenwinkeln entstehen ließ, gaukelte mir vor, nicht alleine zu sein. Jedes Türknarren, das mir meine Kopfhörer in die Ohren drückte, ließ mich mehrmals nachschauen, ob jemand hinter mir her ist.

Als mich Jack durch die Gänge jagte, war ich es, die die Fassung verlor. Nicht Ethan. Als mich der mutierte Familienvater mit seinem Spaten erwischte, war ich es, die schrie wie am Spieß. Nicht Ethan. Sein Charakter wurde von meinen eigenen Reaktionen überschattet und spielte im VR-Geschehen überhaupt keine Rolle mehr.

Resident Evil 7 lässt seinen Helden fast vollständig untergehen, ernannte mich dadurch aber selbst zur Hauptakteurin des Survival-Horrors. Und genau das machte meinen VR-Trip so aufregend.

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