Resident Evil 7 ist anders als Teil 6 endlich wieder ein Survival-Horrorspiel, ein verdammtes gutes noch dazu. Schon früh stellt es mir das Werkzeug vor, mit dem es meine Nerven auf wunde Punkte abklopfen wird. Bloß um mich dann im Dunklen darüber zu lassen, wann es mit seinen Jump-Scares, der exzessiven Gewalt oder der Ressourcenknappheit zuschlägt. So trifft mich Resident Evil 7 nicht nur überraschend, sondern vor allem da, wo es wehtut.
Resident Evil 7: Biohazard im Test – Endlich wieder volle Hosen!
Trotzdem prägen sich mir letztlich die ruhigen Passagen ins Gedächtnis. Denn hier erzählt mir Resident Evil 7 eine Geschichte, die mich über die Schockmomente hinaus berührt. Das kürzlich erschienene Daughters will nun daran anknüpfen. Allerdings scheitert der Versuch, da der Story-DLC in Resident Evil 7 lediglich ein Horrorspiel sieht.
"Welcome to the family, son"
Seit Monaten verschleppen Jack, Marguerite und Lucas Baker Menschen in den Sümpfen Louisianas. Ihre Opfer hält die Familie auf ihrer verrottenden Plantage gefangen, foltert und tötet sie dort oder versucht, sie durch Experimenten in abscheuliche Kreaturen zu verwandeln. Die Bakers sind Monster.
So inszeniert Resident Evil 7 seine Antagonisten zumindest die meiste Zeit, als Hauptfigur Ethan Winters auf der Suche nach seiner Frau in ihre Fänge gerät. Allerdings deutet das Spiel früh an, dass die Bakers nicht immer Monster waren und eigentlich keine sein wollen.
Vor drei Jahren seien sie verschwunden, hätten davor aber ein ruhiges Leben geführt, verrät etwa eine Videokassette, die ich anfangs im Gästehaus entdecke. Doch wie konnte ein scheinbar normalen Familie zu Mördern werden? Resident Evil 7 beantwortet diese Frage unter anderem, indem es das Genre wechselt.
Evil Residents
In Resident Evil 7 bricht die Angst in Wellen über mich herein: Unwohlsein türmt sich zu Terror auf, der in einer anschließenden Ruhephase abebbt, bis sich wieder Unwohlsein anstaut. Am deutlichsten zeichnet sich dieses Muster in den Auseinandersetzungen gegen die Bakers ab. In jedem Bereich des Anwesens lauert ein Familienmitglied, dem ich mich irgendwann stellen muss.
Tim Hödl@DieserHoedl
Noch vor einem Jahr glaubte Tim, dass Resident Evil 7 den actionreichen Ansatz seiner Vorgänger weiterführen würde. Umso mehr überraschte ihn dann die offizielle Enthüllung mit der dazugehörigen Demo, deren Geheimnisse ihn monatelang beschäftigten.
Und auch Resident Evil 7 lässt ihn seit Release nicht mehr so recht los. Das liegt zum einen an zusätzlichen Herausforderungen wie dem Madhouse-Schwierigkeitsgrad und zum anderen an den versteckten Geschichten und Fan-Theorien, die sich in den Mauern des Baker-Anwesens verbergen.
Zwischen den Boss-Kämpfen darf ich bereits besuchte Abschnitte aber relativ ungestört erkunden. Dann durchforste ich die Küche, das Wohnzimmer oder die Haupthalle bis in den letzten Winkel – zuerst nach Munition, Heilkräutern und anderen nützlichen Items, später nach neuen Informationen. Wie der Walking SimulatorGone Home lagert Resident Evil 7 nämlich einen bedeutenden Teil seiner Handlung auf die Umgebungen aus.
Also lese ich Tagebucheinträge, wühle in Schränken oder schaue mir Pokale an, die Lucas als Kind für die Teilnahme an Erfinderwettbewerben gewonnen hat. Jeder interaktive Gegenstand füllt die Welt mit dem Gefühl, dass die Bakers nicht einfach nur Darsteller in einem Gruselkabinett sind. Sie sind mehr.
In einem der Flure stoße ich zum Beispiel auf mehrere Familienfotos. Eines vom Hochzeitstag der Bakers und ein umgedrehtes von Lucas stehen zusammen auf einem Tisch. Ein weiteres liegt ein Stück weit entfernt auf einer Ablage. Es zeigt eine junge Frau, deren Gesicht ausgekratzt wurde. Einem Bild im Gästehaus habe ich zuvor bereits entnommen, dass die Bakers neben Lukas noch ein zweites Kind haben. Vermutlich handelt es sich demnach um dieselbe Person. Allerdings weißt das beschädigte Foto der jungen Frau sowie sein Standort auf einen Bruch zwischen ihr und den anderen hin. Wobei auch das Verhältnis zwischen Jack, Marguerite und Lucas angespannt zu sein scheint, schließlich würde sich sein Bild sonst nicht vom Rest der Familie abwenden.
Allein mit diesen Details gibt mir Resident Evil 7 am Anfang einen Hinweis auf die aktuelle Familiendynamik der Bakers. Gleichzeitig ist dies eine der Stellen, an der sich der tragische Twist des Spiels ankündigt.
The Night Before
Wie ich später erfahren werde, begegneten die Bakers vor drei Jahren einer sogenannten Bio Organic Weapon, die die Familie für ein hilfsbedürftiges Kind hielt. Doch schnell offenbarte das Wesen seine übermenschlichen Kräfte und infizierte die Familie mit einem Pilz, der irgendwann das Gehirn befällt. Von da an kontrolliert die B.O.W. die Gedanken von Jack, Marguerite und zeitweise auch Lucas. All die Gräueltaten, die sie begehen, verantworten die Bakers also nicht selbst.
Tochter Zoe hingegen bleibt von der Gedankenkontrolle der Bio Organic Weapon verschont, musste aber mit ansehen, wie ihre Familie wahnsinnig wird. Denn solange sie infiziert ist, kann sie die Plantage nicht verlassen. Daher sucht sie fortan nach einem Serum, um sich zu heilen.
So sehr dieser Plot nach einem klassischen Resident Evil klingt, steckt doch ein sehr greifbarer Kern darin: ein Mensch verliert den Rückhalt seiner Liebsten.
Daughters will dieses Schicksal ausleuchten. Als Zoe erlebe ich die eben beschriebene Vorgeschichte von Resident Evil 7. Ich erhasche einen kurzen Blick, leider zu kurzen Blick, auf das, was für die Bakers einmal Alltag war.
In den ersten Minuten lerne ich die Bakers als fürsorgliches Ehepaar kennen, das miteinander scherzt und seine Zuneigung durch kleine Gesten ausdrückt, während Lucas nur über seinem Smartphone hängt. Ich versuche, mich in die Rolle von Zoe einzufühlen, aus ihrer Perspektive eine Beziehung zu den Figuren zu knüpfen. Doch bevor mir das gelingt, fällt auch schon die B.O.W. über die Bakers her.
In der darauffolgenden Viertelstunde poltert Daughters von einem Ereignis zu nächsten. Erst speit mir Marguerite Insekten entgegen, kurz danach jagt mich Jack durch das Haus, das die erzählerischen Feinheiten des Hauptspiels vermissen lässt. Vom langsamen Abgleiten in den Wahnsinn, wie ihn Resident Evil 7 nahelegt, ist hier keine Spur. In Daughters sind die Bakers nur Darsteller in einem Gruselkabinett. Mehr nicht.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Dein Kommentar wurde nicht gespeichert. Dies kann folgende Ursachen haben:
1. Der Kommentar ist länger als 4000 Zeichen.
2. Du hast versucht, einen Kommentar innerhalb der 10-Sekunden-Schreibsperre zu senden.
3. Dein Kommentar wurde als Spam identifiziert. Bitte beachte unsere Richtlinien zum Erstellen von Kommentaren.
4. Du verfügst nicht über die nötigen Schreibrechte bzw. wurdest gebannt.
Bei Fragen oder Problemen nutze bitte das Kontakt-Formular.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Nur angemeldete Plus-Mitglieder können Plus-Inhalte kommentieren und bewerten.