Mass Effect: Andromeda ist ein neuer Anfang. Nicht nur für die Crew des Raumschiffs Hyperion, sondern auch für Bioware und das Franchise. Getrieben von Entdeckerdrang lassen wir die Milchstraße hinter uns, um als Sara oder Scott Ryder in der Andromeda-Galaxie nach neuen Abenteuern und einer neuen Heimat für die Menschen, Asari, Turianer und Salarianer zu suchen.
Frei nach dem Motto "Was schief gehen kann, das geht auch schief" müssen die aufgebrochenen Entdecker aber feststellen, dass keiner der potenziellen Heimatplaneten das ist, was sie erwartet haben. Stattdessen hat eine ganze Galaxie offenbar nichts Besseres zu tun, als die Neuankömmlinge umbringen zu wollen. Als wäre das nicht genug, ist ein Teil der mit uns aufgebrochenen Schiffe komplett verschwunden und lediglich die Hyperion schafft es, sich Monate später zum vereinbarten Treffpunkt zu schleppen.
Dort wartet in Dunkelheit das gigantische, an die Citadel erinnernde Hauptschiff, die Arche, das unterdessen mit ganz eigenen Problemen wie einer Rebellion zu kämpfen hatte. Wie alles so schief gehen konnte und was wir dagegen tun können, ist einer der zentralen Punkte von Mass Effect: Andromeda.
Neues Spiel, neue Heldin
In den ersten Minuten fühle ich mich fast so überfordert wie Sara Ryder, die ich in meinem rund zweistündigen Hands-On spiele. Das Wissen, dass ich nur so wenig Zeit für ein Spiel habe, in dem es so viel zu entdecken gibt, ist genauso erdrückend wie für Ryder die Tatsache, mit so vielen Katastrophen auf einmal konfrontiert zu werden.
Während sich Sara in einer neuen Galaxie sieht, in der alles schief geht, befinde ich mich in einem Mass Effect-Spiel, in dem alles anders ist als zuvor. Keine Citadel, keine Normandy, keine Crew, die ich über drei Spiele hinweg lieben gelernt habe, kein Shepard. Anstatt eines Elitesoldaten spiele ich eine Entdeckerin, die ebensowenig weiß, was gerade vor sich geht, wie ich. Immerhin: Das gemeinsame Lernen sorgt recht schnell dafür, dass ich anfange, eine Bindung zu Sara aufzubauen.
Dabei hilft auch, dass ich das Gefühl habe, ihre Persönlichkeit noch besser beeinflussen und entwickeln zu können als die Shepards. Das fängt bei so großen Dingen wie dem neuen Klassensystem an und endet beim neuen Moral- und Dialogsystem.
Anstatt auf feste Klassen setzt der vierte Teil der Reihe auf flexibles Skillen und gibt mir das Ruder in die Hand, wie ich meine persönliche Ryder entwickeln will. Für mich, die Mass Effect am liebsten als Infiltrator (Waffen- und Technikexperte mit Tarnfähigkeit) spielte, allerdings auch großer Fan von biotischen (Mass Effects Variante von magisch) Multiplayer-Charakteren wie der N7 Fury mit ihrem Vernichtungsfeld und Dunkler Kanal war, sind das hervorragende Neuigkeiten. Dass ich Ryder besagtes Vernichtungsfeld und eine Sniper Rifle in die Hand geben kann, lässt nicht nur nostalgische Erinnerungen an den Multiplayer von Mass Effect 3 wach werden, sondern lässt sie innerhalb kürzester Zeit zu meinem Charakter werden.
Anstatt auf Vorbild/Abtrünnig zu setzen wie in den ersten Mass Effects, bietet Andromeda mehr Facetten, die sich natürlicher anfühlen und nicht auf einem reinen Schwarz-Weiß-Denken basieren. Selbst kleine Entscheidungen beeinflussen, wie andere Ryder sehen und auf die junge Frau oder den jungen Mann reagieren. Ein kleines Beispiel: Ohne zu viel von der Story verraten zu wollen, kommt es zu Beginn des Spieles zu unerwarteten Turbulenzen. Diese sorgen dafür, dass nur einer der beiden Ryder-Geschwister aus dem Kälteschlaf aufwacht und das Schicksal des anderen lange ungewiss ist (ganz hübsche Idee für die Charakterauswahl übrigens). Ryders Wahrnehmung durch andere wird allein dadurch beeinflusst, ob er oder sie sich um den Verbleib des Brüderchens oder Schwesterchens sorgt.
Die Charakterentwicklung fühlt sich vielversprechend an, auch weil Ryder erst nach und nach zum Dreh- und Angelpunkt der Geschichte wird. In der ersten Mission übernimmt beispielsweise nicht sie, sondern ihr Vater, der sogenannte Pathfinder, die Planetenerkundung. Selbst als sie später diese Rolle übernimmt, muss Sara darum kämpfen, dass ihr derselbe Respekt wie ihrem Vater entgegengebracht wird. Zu Beginn folgt die Crew nicht dem Protokoll oder sie muss daran erinnert werden, dass ein Meeting erst beendet ist, wenn Sara es sagt. Dabei hat die junge Frau zu diesem Zeitpunkt schon gezeigt, dass sie durchaus das Zeug zu einer fähigen Führungsperson hat. Alle (und vor allem sich selbst) davon zu überzeugen, ist aber noch einmal eine andere Geschichte.
Mass Effect verbinde ich vor allem mit Commander Shepard. Sie ist für mich der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte und es war seltsam, die ersten Schritte in einem neuen Mass Effect-Spiel ohne sie zu machen. Ryder muss sich daher der großen Herausforderung stellen, sich nicht nur vor ihrer neuen Crew zu beweisen, sondern auch vor mir.
Die Tatsache, dass ich sie dabei offenbar viel mehr formen kann, als es mir bei Shepard möglich war, ist ein guter erster Schritt in die richtige Richtung. Nach zwei Stunden möchte ich mehr Zeit mit Sara verbringen und mit ihr gemeinsam die neuen Charaktere kennenlernen, die nicht nur auf der Hyperion und der Tempest (Andromedas Variante der Normandy), sondern auch darüber hinaus auf uns warten.
Mit den sechs bisher vorgestellten Squadmitgliedern habe ich leider recht wenig Zeit verbringen können. Dafür wurde ich von einem mysteriösen Informationshändler um einen Drink betrogen, habe in einem Gefängnis einen politischen Verräter des Volks der Angara getroffen und wurde von meiner schottischen Pilotin in ein Gespräch über Wissenschaft und Religion verstrickt. Einen Mangel an abwechslungsreichen Charakteren dürfte es also nicht geben.
Schöne, große, neue Galaxie
Aber nicht nur in Sachen Charakteren ist Mass Effect: Andromeda ein Reset der Reihe. Das Rollenspiel präsentiert eine komplett neue Galaxie, in der andere Regeln herrschen und in der ein Story-Planet den inhaltlichen Umfang von Dragon Age: Inquisition haben kann.
Obwohl der Beginn noch relativ linear verläuft, ködert schon der erste Planet, auf dem ein Erkundungstrupp der Hyperion abstürzt, mit Verlockungen abseits des Weges. Umgeben von schwebenden Felsen, Tentakelpflanzen und gefährlichen Blitzen suchen Sara und der ehemalige Polizist Liam (einer unserer dauerhaften Begleiter) nach Überlebenden des Unglücks. Schon jetzt weist Liam auf mysteriöse Höhlen hin, die ich mit Sara gerne erkunden würde, auch wenn die Dringlichkeit der Situation es nicht zulassen sollte.
Für den Moment wird mein Entdeckerdrang außerdem dadurch gebremst, dass der Planet versucht, mich mit aus dem Boden kommenden Blitzen zu töten, während eine übellaunige Alienrasse auf mich schießt. Dabei handelt es sich, wie ich später erfahre, um die Kett, die mich ein wenig an die Kollektoren aus Mass Effect 2 erinnern. Die Kett sind alles andere als gut auf Neuankömmlinge zu sprechen, da sie offenbar selbst den Planeten besiedeln wollen und uns als Konkurrenz sehen. Zaghafte Kommunikationsversuche meinerseits werden mit Kugeln ihrerseits beantwortet. Der erste Kontakt hätte jedenfalls besser laufen können.
Zwischen unbesiedelten Planeten, auf denen uns entweder die Natur oder andere Rassen an den Kragen wollen, bietet Mass Effect: Andromeda erkundbare Hubs wie die Hyperion oder Space-Ports. Denn während das Raumschiff, auf dem Ryder im Kälteschlaf lag, durch die Tiefen des Alls irrte, gab es auf der Arche die schon erwähnte Rebellion, die zu einer Spaltung führte. Einige der Rebellen leben nun in einem an das gesetzlose Omega erinnernden Space Port auf der Oberfläche eines Planeten, auf dem statt Seen lauschige Säurepfützen die Landschaft zieren. Charmant.
Während des zweiten Teils meiner Hands-On-Session wandere ich ein wenig durch eben jenen Space Port, versuche mich in Konversation mit Bewohnern, von denen einer aggressiver ist als der andere, und entdecke schließlich eine Tür, die mich den Port verlassen lässt. Andromeda entfernt die Grenze, die uns in Mass Effect 1-3 in Hubs wie der Citadel oder Omega einschloss, und entlässt uns in eine große, offene Welt.
Hier drängt sich natürlich die Frage auf, ob Mass Effect: Andromeda aus den Kritikpunkten an Dragon Age: Inquisition gelernt hat und gehaltvollere Nebenquests in all dieser endlos erscheinende Landschaft bietet als das Fantasy-Rollenspiel. Zwei Stunden sind in Anbetracht der Größe von Andromeda allerdings kaum mehr als ein Blinzeln und waren viel zu schnell wieder vorbei, weshalb ich die Frage zum jetzigen Zeitpunkt leider noch nicht beantworten kann. Aber die Testversion dürfte nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen. Und spätestens dann werde ich erfahren, ob Andromeda mehr kann, als mich auf Sammeltouren durch die Andromeda-Galaxie zu schicken.
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