Neonlichter flackern über morschen Holzbalken, in manchen Ecken liegt Müll, in anderen Ecken liegen Betrunkene. Wir sind Chloe Price und natürlich mittendrin. Als Draufgängerin fühlen wir uns auf einem illegalen Konzert unserer Lieblingsband in einer halb verfallenen Mühle zwischen Punk-Rock, Marihuana und Bierflaschen mehr als heimisch.
Ganz anders also, als wir es von der schüchternen Max Caulfield aus dem Vorgänger kennen. Das Prequel Life is Strange: Before the Storm spielt aber drei Jahre vor dem ersten Teil, kurz nachdem unsere alte Figur aus Arcadia Bay weggezogen ist. Statt Max begleiten wir deshalb ihre beste Freundin Chloe.
Die oben beschriebene Partyszene kennt man bereits aus dem Gameplay von der E3 2017. Im Rahmen eines Entwicklerbesuchs bei uns in der Redaktion konnten wir 30 Minuten vom Anfang erstmals selbst spielen und bekamen gleich noch eine weitere Szene präsentiert. Das Spiel vom amerikanischen Entwickler Deck Nine Games ist übrigens nicht Life is Strange 2, daran werkelt gerade der ursprüngliche Life-is-Strange-Entwickler Dontnod.
Zurück in Arcadia Bay
Auch ohne Max und Dontnod fühlen wir uns als Spieler aber gleich wieder zuhause. Dafür sorgen der vertraute, leicht comichafte Look mit seinen kritzeligen Umrandungen bei Objekten, die amüsanten Sprüche beim Anklicken und natürlich bekannte Charaktere wie Frank mit seinem treuen Hund Pompidou.
Auf die Zeitreisekräfte müssen wir als Chloe allerdings verzichten. Wer nach jeder Entscheidung einfach zurückspulen möchte, schaut bei Before the Storm in die Röhre. Das Prequel setzt ganz auf seine Teenager-Geschichte: Wir lernen die bereits aus Life is Strange bekannte Rachel Amber kennen und freunden uns mit ihr an, obwohl sie und Chloe nicht unterschiedlicher sein könnten.
Das bietet Potenzial für viele spannende Hintergründe zu Life is Strange, limitiert aber auch die Erzählung und die Entscheidungen - immerhin wissen wir schon, was mit Chloe und Rachel passieren wird. Reicht die Handlung trotzdem, um uns ganz ohne übernatürliche Fähigkeiten zu begeistern?
Die Qual der Wahl
Ohne derartige Superkräfte konzentrieren wir ganz auf das Erkunden der Umgebung und werden schnell fündig: Es gibt einen Haufen an interessanten Hintergrundinfos und netten Details zu entdecken. Beispielsweise ein Schreiben der bereits bekannten Prescott-Familie oder ein Sägeblatt, auf das wir ein Graffiti sprühen können - Chloes Variante zu Max' Fotos.
Entscheidungen spielen in Before the Storm eine noch größere Rolle als im Original, immerhin können wir ohne Zeitreise nicht mehr einfach alle Antworten durchprobieren. Auch sollen die Folgen unserer Taten noch verzweigter und unvorhersehbarer sein als im Vorgänger. Schon die scheinbar unwichtige Entscheidung, ob wir ein T-Shirt unserer Lieblingsband mitgehen lassen oder nicht, kann dramatische Folgen haben. Unter dem Fan-Shirt liegt nämlich ein ganzer Batzen Geld und wir müssen uns überlegen, was wir damit anstellen.
Behalten wir das Geld, könnte uns das in Zukunft nützen, dafür müssen wir uns aber mit einem Diebstahl wohlfühlen. Mit der Kohle könnten wir aber auch Schulden bei Drogendealer Frank begleichen. Oder uns später etwas Wichtiges kaufen. Oder es einfach für Marihuana verprassen.
Wenn die Zukunft schon feststeht
So gut sich das mit den Entscheidungen in unseren 30 Minuten Demo schon anlässt - der Entwickler Deck Nine Games steht trotzdem vor dem Problem, dass die Zukunft von Chloe, Rachel und Arcadia Bay bereits feststeht. Wie gewaltig die Folgen unserer Entscheidungen sein können, bleibt somit fraglich. Die weit im Voraus angesetzte Handlung scheint größtenteils unabhängig von der Geschichte des ursprünglichen Life is Strange abzulaufen.
Dafür konzentriert sich der Entwickler auf das, was Life is Strange abseits seiner Zeitsprünge so einzigartig gemacht hat: seine Charaktere. Die sehen dank der neuen Gesichtsanimationen nicht nur besser aus, sondern halten uns auch ohne übernatürliche Fähigkeiten bei der Stange.
Gerade Chloe kommt deutlich besser weg als im ersten Teil: Ihre rebellische Art wirkt hier aufgrund der Umstände nicht aufgesetzt - vor zwei Jahren starb ihr Vater, ihre Freundin Max ist gerade weggezogen und ihr Stiefvater drängt sich in ihr Leben. Auch Sarkasmus und coole Sprüche in den Gedanken passen besser zu ihrer abgebrühten Art als zur braven Max.
Wie gut die Charakterzeichnung funktioniert, wird besonders an ihrem Verhältnis zum Stiefvater David deutlich: Man sieht durch ihre Augen, wie er Bilder von ihrem Vater abhängt, den Werkzeugkasten des Verstorbenen achtlos durch sein viel größeres Modell ersetzt und sich dann wundert, warum Chloe seine Versuche, Ersatzvater zu spielen, abblitzen lässt.
Before the Storm schafft also trotz Entwicklerwechsel und fehlender Zeitreisen die Magie des Vorgängers einzufangen. Auch bei der neuen Chloe-Sprecherin besteht kein Grund zur Sorge: Ashly Burch ist wegen des SAG-AFTRA-Streiks in den USA (die Synchronsprecher-Gewerkschaft) zwar nicht als Sprecherin dabei, unterstützt die neue Stimme Rhianna DeVries aber, die ebenfalls einen sehr guten Job abliefert. Unsere Frage aus der Überschrift können wir also zum aktuellen Zeitpunkt mit »Ja, Teenie-Drama reicht!« beantworten.
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