In Open World-RPGs lasse ich mich gerne vom Pfad abbringen. Bei meinen Streifzügen durch die Welten von Skyrim oder The Witcher 3 fielen mir in regelmäßigen Abständen neue Aufgaben vor die Füße, denen ich meine Zeit viel lieber schenken wollte als den Quests Hauptstory. Während ich in Skyrim meine Bestimmung als Dovahkiin nach dem Drachenangriff in Helgen verschmähte und fortan auf eigenen Wegen schritt, legte ich in The Witcher 3 die Suche nach Geralts Ziehtochter Ciri für etliche Stunden auf Eis, um stattdessen den wundervollen Geschichten der Nebenquests zu lauschen.
Horizon: Zero Dawn entführte mich ebenfalls in eine offene Spielwelt voller Nebenaufträge - und trotzdem verfolgte ich die Haupthandlung mit Eifer und ohne Umwege. Denn anders als in Skyrim oder The Witcher interessierte ich mich sowohl für die Heldin als auch für die Spielwelt.
Die Post-Post-Apokalypse und viele, viele Fragen
Ich war noch nicht einmal eine halbe Stunde im Spiel, als Guerilla Games' Action-RPG bereits einen ganzen Schwall voller Fragen durch meinen Kopf wirbelte: Warum ist die Welt überhaupt untergegangen und wie konnte die Menschheit trotzdem bestehen bleiben? Was hat es mit den Bunkern "der Alten" auf sich, die inmitten von wilden Graslandschaften und rauen Wüsten wie Bauwerke von Außerirdischen erscheinen? Und woher kommen all die unheilvollen Maschinen, die friedlich zwischen Hasen und Wildschweinen grasen, aber jeder armen Seele in ihrer Nähe an die Gurgel wollen?
Vor mir türmte sich ein gewaltiges Mysterium auf, das nur so darum bettelte, aufgedeckt zu werden. Die Spielwelt von Horizon: Zero Dawn zog mich von Anfang an in ihren Bann, weil ich sie mir nicht erklären konnte. Sie ist zwar postapokalyptisch aber nicht etwa grau und staubig wie die Welt von Fallout. Stattdessen hüllt sie Städte, Straßen und Autos in ein lebendiges, grünes Dickicht. Sie beherbergt viele verschiedene Kulturkreise mit eigenen Riten und Weltbildern, die in Holzhütten oder mächtigen Steinbauten leben und mit Pfeil, Bogen und Speeren kämpfen. Und gleichzeitig bieten ihre wilden Graslandschaften und rauen Wüsten Platz für futuristische Roboterwesen, die mit Laserwaffen um sich schießen.
Welten, wie ich sie kenne
Skyrim und The Witcher 3 weben ihre Geschichten in beinahe vertraut wirkende High-Fantasy-Welten, die beide aus einem Fundus voller Zwerge, Elfen, Vampire, Trolle, Hexen und Magie schöpfen. Ich habe zwar liebend gern meine Zeit in Himmelsrand und in den Nördlichen Königreichen vergeudet, jedoch konnte ich für beide Open Worlds nicht die gleiche Faszination entwickeln wie für die Post-Postapokalypse von Horizon. Ich brauchte keine Hintergrundinfos zur Mythologie und Entstehung der jeweiligen Welt. Alles, was ich für meine Abenteuer wissen musste, war mir von Anfang an klar, weil ich die gleichen Fantasy-Tropes bereits aus vielen anderen Erzählungen kannte
Linda Sprenger @lindalomaniac
Linda erfreute sich vor ein paar Jahren noch an den offenen Spielwelten von The Witcher 3, Skyrim oder Fallout 4, hat aber mittlerweile die Nase voll vom Abklappern von Symbolen und nichtigen Quests. Mit dem Release von Horizon: Zero Dawn begleitete sie die Angst, dass sie in einem Open World-Strudel voller Nebenaufträge ertrinkt. Dem war zum Glück nicht so. Horizon bietet zwar eine aus allen Nähten platzende Welt voller Beschäftigungen, die Geschichte fesselte Linda aber so sehr, dass sie während ihres Abenteuers alles andere vergaß.
Horizons Mischung aus Sci-Fi und Postapokalypse war mir allerdings fremd - und deshalb gierte ich so sehr danach, meine klaffende Wissenslücke mit neuen Informationen zu füllen. Das große Rätsel um die Spielwelt war aber nur ein Grund für mein eifriges Abklappern der Hauptquests. Horizon gelang es, mich einer Heldin vorzustellen, deren persönliches Schicksal mir naheging.
Teenie-Probleme zwischen Robo-Dinos
Aloy war mir von Anfang an sympathisch. Die junge Jägerin durchlebt in den ersten zwei Spielstunden die typischen Höhen und Tiefen einer Heranwachsenden. Sie wird verspottet und verdroschen, weil sie eine Außenseiterin ist. Sie wehrt sich (ja, ich habe den Stein zurückgeworfen), wird stärker als alle anderen und übertrumpft ihre ätzenden Rivalen in der großen Prüfung. Gleichzeitig leidet sie darunter, nicht zu wissen, wer ihre Mutter war und was mit ihnen geschehen ist.
Die erzählerischen Mittel, mit denen uns das Team von Guerilla Games zu Beginn der Story an die Protagonistin binden will, sind simpel aber wirksam. Ich fieberte mit der Heldin mit, ärgerte mich mit ihr, als sie am Boden lag, und freute mich mit ihr zusammen, als sie ihr Talent als Jägerin unter Beweis stellen und ihren größten Peiniger in den Schatten stellen konnte.
Dass ich die Haupthandlung von The Witcher 3 für 50 Spielstunden zunächst ganz aus den Augen ließ, lag schon alleine daran, dass ich mich nur schwer mit dem unnahbaren Hexer Geralt anfreunden konnte, der von einer unermüdlichen Suche nach Personen angetrieben wird, zu denen ich am Anfang des Spiels aber gar keine Beziehung hatte.
Aloy hingegen erschien mir greifbar, menschlich. Ich konnte mit ihr mitfühlen, weil ich ihre persönlichen Erlebnisse entweder selbst schon einmal erfahren oder bei jemand anderes gesehen habe.
Verkehrte Open World
Einen besseren Einstieg hätte Guerilla Games für Horizon: Zero Dawn gar nicht wählen können. Nach der Prüfung der Nora hielten mich zwei perfekt ineinandergreifende Umstände auf dem Pfad der Hauptquestreihe fest: Ich war emotional involviert und fasziniert. Das Action-RPG verknüpft eine einfache aber berührende menschliche Geschichte mit einer komplexen Hard-Sci-Fi-Erzählung, die aus einer Welt voller Kontrasten schöpft. Das ist untypisch, neu und genau deshalb so spannend.
Inmitten einer Open World voller Nebenaufträge und Sammelgegenständen ließ mir Horizon gar keine andere Wahl, als von einer Mainquest zur anderen zu ziehen, um die Antworten auf all meine brennenden Fragen über die Post-Postapokalypse und deren Protagonisten zu finden.
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