Bereits auf dem Papier klingt For Honor nach einem Titel, der sich mit dem Spielgeschmack eines großen Publikums überschneiden dürfte: Wikinger, Ritter und Samurai schlagen sich in Burgen, Dörfern und Tempelanlagen die Köpfe mit einem innovativen wie intuitiven Kampfsystem die behelmten Köpfe ein. Statt anspruchsvoller Story gibt es ein in die Tiefe gehendes Moveset für jeden Kämpfer, das laut Ubisoft vor allem Core-Spieler glücklich machen soll.
Die frisch beendete Closed Alpha musste sich nun den durchaus hohen Erwartungen der Spieler stellen, die bisher überwiegend nur als Zuschauer die Entwicklung von For Honor begleiten durften: Eine Flut von mitreißenden Trailern voller Pathos und Aufbruchsstimmung machten erst vor Wochen einigen Gameplay-Szenen Platz, die Journalisten und Let's Player auf der E3 oder Gamescom aufnehmen durften. Nun endlich durfte erstmals ein Teil der Spielerschaft selbst auf den Schlachtfeldern ihre ersten Gehversuche wagen und herausfinden, wie gut das Konzept von For Honor letztendlich aufgeht - und auch ich gehörte zu den frisch rekrutierten Kämpfern.
Überraschende Spieltiefe statt Schere-Stein-Papier-Prinzip
Im Mittelpunkt von For Honor stehen die Wikinger, Samurai und Ritter, die je vier unterschiedliche Krieger (übrigens allesamt als Mann oder Frau spielbar) in die Schlacht schicken. Unabhängig von der gewählten Fraktion steht jeder dieser Krieger für einen bestimmten Spielstil, auch wenn Wikinger, Samurai und Ritter ihren Kämpfern einen einzigartigen Twist verpassen.
So erfüllt beispielsweise sowohl der Berserker als auch der Katana schwingende Orochi die Aufgabe des Assassinen auf dem Schlachtfeld, die ihre Gegner schnell und überraschend erlegen. Während der Nordmann hingegen sehr gut darin ist, die Verteidigung des Gegners aufzubrechen und lange Kombinationsangriffe aneinanderzureihen, versteht sich der Orochi auf Konterattacken, um den Feind aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Erfreulicherweise geht diese Aufteilung nach Klassen nicht in einem einfachen Schere-Stein-Papier-Prinzip auf, das für jeden Krieger einen überlegenen Konter anbietet. Stattdessen entscheidet vorwiegend das spielerische Können in den zahlreichen Duellen über Sieg oder Niederlage. Und hier punktet das innovative Kampfsystem, der eigentliche Star von For Honor, so richtig.
Ihr könnt in drei verschiedenen Richtungen angreifen oder parieren. Darauf baut ein überraschend komplexes Moveset für jeden Krieger auf, die auf unterschiedlichste Weise leichte und schwere Angriffe miteinander kombinieren lassen. Im Zusammenspiel mit den Spezialfähigkeiten und Besonderheiten jeder Klasse resultieren daraus immer wieder spannende Duelle, die allerdings fast unmöglich zu gewinnen sind, sobald ihr gegen mehr als einen Gegner gleichzeitig antreten müsst. Solltet ihr in einer so misslichen Lage einmal an die Wand gedrängt werden, gibt euch der aktivierbare »Rache-Modus« eine letzte Chance auf ein Comeback.
Auch wenn das Balancing der Klassen im Detail sicher noch feinjustiert werden muss, konnte das Kampfsystem wirklich überzeugen: Die Duelle sind spannend und bieten viel Raum für taktisches Geplänkel. Auch der Blick in das offizielle Alpha-Forum zeigt, dass die Messerstecherei und die unterschiedlichen Klassen von der Community sehr gut angenommen wurden. Die wohl größte Schwäche des Spiels, die den wirklich tollen Alpha-Eindruck von For Honor ungemein trübt, offenbart sich allerdings erst nach der Schlacht und sorgt bei mir für umso tiefere Sorgenfalten.
Ein Gefahr für das Balancing: Mikrotransaktionen & das Loot-System
Grundsätzlich ist es sicherlich falsch, Mikrotransaktionen pauschal in eine Ecke des Schams zu stellen, doch For Honor scheint sich unglücklicherweise für den unschönsten Weg entschieden zu haben, hin und wieder an eurer Geldbörse zu kitzeln.
Nach jeder Spielrunde besteht die Chance, einen Ausrüstungsgegenstand auf dem Schlachtfeld zu finden, der unterschiedliche Werte in drei Kategorien besitzt. Im Editor könnt ihr dann entscheiden, welcher Helm auf dem Kopf, welcher Griff am Schwert oder welche Plattenrüstung an eurem Körper landen soll. Doppelten Loot dürft ihr einschmelzen und damit eure ausgewählte Ausrüstung noch stärker machen. Diese Veränderungen, die ihr nach und nach an euren Soldaten vornehmt, sind längst nicht nur optische Spielereien, sondern wirken sich spürbar auf die Kampfkraft aus. Je länger ihr also spielt, desto höher wird auch die Wahrscheinlichkeit, dass ihr nach und nach mächtigen Loot zusammenkramt, der euch einen entscheidenden Vorteil gegenüber weniger glücklichen Mitspielern verpassen könnte. Dieser italienische Mitschnitt eines Ubisoft-Livestreams zeigt, wie vielfältig dabei die Ausrüstung im fertigen Spiel aussehen könnte.
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Doch es muss nicht beim Grinding bleiben, das für sich genommen bereits das Balancing für Spieler über den Haufen werfen könnte, die weit nach Release erst die Schlachtfelder von For Honor betreten werden.
Neben den Ausrüstungsgegenständen erhalten wir nach jedem Match auch ein wenig von der spieleigenen Währung »Stahl« oder »Steel«. Mit dieser Währung könnt ihr in verschiedenen Preisklassen zufällige Ausrüstungsgegenstände kaufen und eurem Finderglück nach den Schlachten so auf die Sprünge helfen. Der Zuwachs an Stahl nach jeder Runde ist dabei so quälend langsam, dass das Angebot von Mikrotransaktionen auf der Hand liegt. Ubisoft scheint hier die Grundzüge eines umfassenden Ingame-Stores auf den Weg zu bringen, der das Balancing und damit den Langzeitspielspaß von For Honor auf gefährlich wacklige Beine stellen könnte. Frühestens die geplante Beta im Winter 2016 wird zeigen, ob und wie sich dieses Ausrüstungssystem nach dem Alpha-Feedback verändert hat.
Dom Schott:
@R3nDom
For Honor könnte 2017 sehr viele Spieler sehr glücklich machen: Das Kampfsystem ist überraschend komplex und gleichzeitig intuitiv, während sich die verschiedenen Klassen angenehm einzigartig spielen. Die Stimmung auf den Schlachtfeldern ist mitreißend und wirkt authentisch, während wir in Duellen oder Eroberungskämpfen um jeden Punkt streiten.
Einzig der sich anbahnende Flirt mit den Mikrotransaktionen bereitet mir reichlich Kopfzerbrechen, wenn ich an die Zukunft von For Honor denke: Die quälend langsame Rate, mit der wir die Ingame-Währung Stahl verdienen, deutet auf Echtgeld-Deals hin, die uns zur Investition in mächtigere Ausrüstung bewegen wollen. Wer wirklich regelmäßig und kompetitiv For Honor spielen möchte, wird sich diesem wortwörtlichen Wettrüsten kaum entziehen können, denn die Eigenschaften der Ausrüstung sind im Kampf schon während der Alpha spürbar gewesen.
Ich kann nur hoffen, dass die Kritik an diesem Kauf-System laut, deutlich und aus möglichst vielen Mündern an Ubisoft herangetragen wird und sich die Entwickler Alternativen überlegen. Ansonsten wird das Balancing von For Honor nicht lange stabil bleiben und schlussendlich die Spieler belohnen, deren Geldbeutel am weitesten offen steht - und das wäre angesichts des riesigen Potenzials des Titels unfassbar ärgerlich.
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