Rennspiele funktionierten ganz lange nach demselben Prinzip. Ein Auto, eine Strecke und das Ziel "fahre möglichst schnell von A nach B und wenn es geht als erster über die Ziellinie". Rennen wurden nacheinander in einem Menü ausgewählt, Autos in einem anderen Menü gekauft. Doch der Open World-Wahn machte auch vor dem Genre der Rennspiele nicht halt und mittlerweile sind Racer in frei befahrbaren Gebieten eher Standard als Ausnahme.
Für mich ist das ganz erstaunlich, denn bei Rennspielen ist die Interaktivität mit der Spielwelt eine völlig andere. In einem Forza Horizon kann ich beispielsweise nicht einfach aussteigen, um dann mit meiner Spielfigur wie Link in Breath of the Wild auf jeden x-beliebigen Berg zu kraxeln, in einem Fahrzeug setzt mir die Spielwelt ganz andere Barrieren, ich bin nicht so beweglich und flexibel. Und doch merke ich, dass ich Open World-Rennspiele mittlerweile lieber mag als die klassischen Strecken-Renner. Natürlich, nicht jedes von ihnen sorgt bei mir für Jubelsprünge. Bei Midnight Club 2 hätte ich mir beispielsweise damals gewünscht, es wäre ein "normales" Rennspiel gewesen.
Für diesen Artikel habe ich überlegt, welche speziellen Kriterien ein Open-World-Rennspiel erfüllen muss, um Spaß zu machen und auch dauerhaft zu funktionieren.
1. Eine gute Fahrphysik
Der wohl wichtigste Punkt ist für mich die Fahrphysik. Ja genau, die Spielwelt steht in einem Open World-Rennspiel nicht an erster Stelle, denn nur wenn für mich die Fahrphysik stimmt, kann ich auch den Rest des Spiels genießen. Dabei ist es völlig egal, ob es sich um eher um einen simulations- oder arcade-orientierten Renner handelt. Das Handling muss nachvollziehbar sein und Spaß machen. Aus diesem Grund hatten viele andere und ich enormen Spaß mit Burnout Paradise - eben weil das Gefühl und Handling der "linearen" Teile perfekt in eine frei befahrbare Stadt übertragen wurde.
Und genau deshalb hatte ich in den ersten Spielstunden auch ein Problem mit The Crew. Die Welt ist spitze, aber das Fahrverhalten enorm schwammig. Das ließ sich mit Upgrades später abschwächen und genau ab diesem Zeitpunkt machte mir das Spiel auch richtig Spaß. Deshalb: Eine riesige Welt darf keine Entschuldigung sein, den Kern eines Rennspiels, nämlich das Fahr-Gameplay zu vernachlässigen. Dieses Problem hatte zum Beispiel auch Test Drive Unlimited 2: Zu viel Bling-Bling, zu viel Urlaubsgedöns und auf der Straße selbst gab es dann hauptsächlich Ernüchterung.
2. Eine Spielwelt mit Sinn
Problematisch wird es bei Open World-Rennspielen (und generell bei offenen Spielwelten) dann, wenn das Open World-Konzept nur um seiner selbst willen eingebaut wird und somit aufgesetzt wirkt. Die Midnight Club hatte zum Beispiel ein hervorragendes Arcade-Fahrmodell und es war auch cool, selbst Routen durch die Stadt festzulegen, aber die drei Städte selbst waren öde und gleichförmig. Und da ich dort gefühlt nur von Rennen zu Rennen tingelte und abseits davon kaum etwas interessantes fand, hätte man dieses Konzept auch in ein lineares Rennspiel pressen können. Ich bin sicher, es hätte genauso gut funktioniert.
Das perfekte Gegenbeispiel ist Midtown Madness 3, das damals zur selben Zeit erschien wie Midnight Club 2. Hier sind die beiden Städte nicht nur Schauplatz von diversen Rennen, sondern selbst riesige Abenteuerspielplätze mit Rampen, Fußballplätzen oder versteckten Gegenständen. Was mich auch direkt zu Punkt 3 bringt.
3. Eine Spielwelt, die interessant ist und nicht einschränkt
Da die Spielwelten tendenziell größer sind als bei "Zu-Fuß-Open-Worlds" (immerhin sind Autos ja deutlich schneller und dementsprechend so eine Welt fixer durchquert), müssen sie auch entsprechend mit Leben und Inhalten gefüllt werden. Das ist zum Beispiel das größte Problem von Fuel. Die Spielwelt ist gigantisch groß, hat aber kaum interessante Flecken und wenig Events, die mich anmachen, nicht mal interessanten Sammelkram gibt es. Bei einem Forza Horizon 3 denke ich mir dagegen oft "Oh, das da drüben sieht cool aus, da fahre ich mal hin".
Und wenn etwas interessant ist, will ich auch ohne Probleme dorthin kommen. Es gibt nichts schlimmeres, als von kleineren Hindernissen davon abgehalten zu werden, etwas genauer zu erkunden. Doch bei manchen Spielen (z.B. der Xbox-360-Version von Forza Horizon 2) sind bestimmte Areale einfach abgesperrt, wir können nur aus der Distanz sehen, was dort ist. Das mag in diesem Fall auch der Technik geschuldet sein, aber genau solche Momente reißen mich wieder raus. Denn gegen künstlich eingebaute Banden kann ich auch bei einem linearen Rennspiel fahren.
4. Das Verhältnis von Rennen und Erkundung muss stimmen
In einer offenen Spielwelt herumzucruisen kann lange Spaß machen, doch zumindest ein gewisser roter Faden muss auch in Open-World-Rennspielen erkennbar sein. Ich meine damit zum Beispiel Rennen an festgelegten Punkten, zu denen ich fahren muss, um sie dann zu aktivieren. In diesen Einzelrennen bin ich dann auf eine Strecke innerhalb der Open World festgelegt und muss ins Ziel kommen. Solche "vorgefertigten" Events reißen mich zwar immer ein Stück weit aus dem Open-World-Flow heraus, sind aber genau deswegen so wichtig, damit keine Übermüdung einsetzt. Denn an gewissen Punkten will ich als Spieler ein wenig an die Hand genommen werden.
5. Die Spielwelt darf keine bloße Kulisse sein
Ich habe es ja schon im einleitenden Text geschrieben: Die Interaktivität mit der Spielwelt ist bei Rennspielen eine völlig andere. Hier kann ich nicht einfach mein Fahrzeug verlassen, das Auto ist meine Spielfigur. Trotzdem muss ich das Gefühl haben, dass ich mit meinem Fahrzeug Einfluss auf die Spielwelt habe. Das können Kleinigkeiten sein wie Bremsspuren auf dem Asphalt oder Spuren in schlammigem Terrain, aber auch Dinge wie zum Beispiel zerstörbare Zäune, Bushaltestellen etc. Gerade in Rennspielen, die durch die Geschwindigkeit ohnehin sehr dynamisch wirken, braucht es auch abseits des eigentlich Fahrens diese Dynamik und Interaktivität.
Und auch die Lebendigkeit darf nicht unterschätzt werden, das erwähne ich auch in unserem Sammelartikel "Fehler, die ein Open World-Spiel nicht machen darf". In The Crew hoppeln zum Beispiel diverse Tiere abseits der Straße herum, in fast allen aktuellen Rasern gibt es auch Zivilverkehr. Das erhöht nicht nur die Möglichkeiten für Interaktion (Unfälle!), sondern gleichzeitig auch die Glaubwürdigkeit einer Rennspiel-Open-World für mich.
Alle Open-World-Artikel unserer Themenwoche in der Übersicht
Wie seht ihr das? Mögt ihr Open-World-Rennspiele? Und wenn ja, was sind eure Favoriten? Schreibt es mir in die Kommentare!
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